Kommentar: Söder braucht mehr als eine gute Inszenierung

17.3.2018, 10:55 Uhr
Neuer Arbeitsplatz: Markus Söder in der bayerischen Staatskanzlei.

© Sven Hoppe/dpa Neuer Arbeitsplatz: Markus Söder in der bayerischen Staatskanzlei.

Die ganze Welt, so schrieb es William Shakespeare in seiner Komödie "Wie es euch gefällt", ist eine Bühne, "und alle Männer und Frauen nur Schauspieler". Ein Satz, dem Markus Söder kaum widersprechen wird. Seine Bühne ist nicht erst seit gestern vor allem Bayern. Warum einem zum Ministerpräsidenten ausgerechnet dieses Zitat einfällt? Weil er wie kaum ein, nein: wie kein anderer bisher Politik in erster Linie als Inszenierung präsentierte — als Stück mit einem einzigen Hauptdarsteller: Markus Söder. 

"Markus", überlebensgroß

Nur ein aktuelles Beispiel: "Markus" steht überlebensgroß hinter ihm an der Wand, wenn er nun in Kinos einen Imagefilm über sich präsentiert, der den Politiker von seiner menschlichen Seite zeigen soll.

Nun gehört es zum Geschäft eines jeden Profis nicht nur in der Politik, sein Profil zu schärfen. Ohne Facebook und Twitter geht da wenig, Trommeln gehört zum Handwerk. Nur: Bei Söder hatten bisher viele Beobachter den Eindruck, dieses Trommeln sei sein eigentliches Handwerk. Und dann erst die Politik.

Das ist deshalb ungerecht, weil er sich in jede seiner Aufgaben, in jedes seiner Ämter penibel hineingekniet hat. Mit harter Arbeit. Aber eben auch mit harten Bandagen. Die braucht nicht nur ein Politiker, der es in die erste Reihe schaffen will. Söder jedoch hat sich durch die Art, wie er mit (Partei-)Freund und Feind umging, viele Gegner gemacht, gerade in der CSU selbst: Oft einen Tick zu zugespitzt, zu aggressiv, zu sehr strotzend vor Selbstbewusstsein — so kennen ihn viele aus Talkshows und von anderen Auftritten.

Nun wechselt er wieder einmal sein Amt. Oder seine Rolle? Auffällig, wie sehr Söder die Tonlage geändert hat. Er versucht selbst, wegzukommen vom Image des Raubeins. Er möchte, ja er muss nun nicht mehr nur respektiert (oder auch gefürchtet) werden — er will und muss als Landesvater auch geschätzt werden, wenn es gutgehen soll für ihn bei der Landtagswahl am 14. Oktober.

Bisher hat Söder seinen Rollenwechsel professionell gestartet. Aber da war auch noch keine konkrete Politik gefragt. Bald muss er liefern. Und zwar nicht nur Schecks mit Förderbescheiden oder WLAN-Anbindungen in Bussen. Der neue Ministerpräsident hat mehrfach angekündigt, was er anpacken will. Sein Zehn-Punkte-Plan enthält Sinnvolles. Förderung der Pflege etwa oder wieder staatlich geförderten Wohnungsbau. Wobei nicht nur da eine Methode Söders sichtbar wurde, die er perfekt beherrscht: das ungenierte Räumen von Positionen, die er so lange verfocht, bis sie unhaltbar wurden.

Themen ungeniert abgeräumt

Es war ja auch Söder, der weit mehr staatliche Wohnungen verkaufte als er nun schaffen will. Es war Söders CSU, die zuließ und es vorantrieb, dass in Bayern weit mehr Flächen zubetoniert werden als anderswo. Nun bekämpft Söder den Flächenfraß. So wurde er noch vor Amtsantritt lästige Themen los. Respekt, kann man da sagen. Aber auch fragen: Für welche Überzeugungen steht Markus Söder denn eigentlich? Was bedeutet "konservativ" für ihn, was "christlich", was "sozial"? Man weiß es noch nicht wirklich.

Jetzt wird Bayern seine Bühne. Er sagt nicht, wie Seehofer, "Bavaria first". Aber er will "Bayern plus" — überall da, wo der Bund etwas beschließt, "eine Schippe" drauflegen. Geld dafür ist da. Wenn aber Bayern so noch mehr Menschen anzieht, verschärfen sich jene Probleme gerade in Ballungsräumen wie München, die Söder lösen will: zu teure und zu wenig Wohnungen, Verkehrskollaps etc. – "Bayern plus" ist da ein zweischneidiger Ansatz.

Schneidig sind die Ankündigungen Söders wie Seehofers in Sachen Innerer Sicherheit. Beide wissen genau: Von mehr Abschiebungen etwa redet es sich sehr leicht — umzusetzen sind sie, warnen Experten, viel schwieriger. So weckt man Erwartungen, die kaum zu erfüllen sind.

Die übliche Schonfrist von 100 Tagen wird Söder sich selbst nicht gönnen (können). Denn danach bleiben gerade mal gut 100 weitere Tage bis zur Landtagswahl. Es muss also rasch sichtbar werden, dass der neue Ministerpräsident die Ziele, die er beschrieben hat, auch angeht — mit einem Kabinett, das dazu passt, und mit ersten Beschlüssen. Mit konkreter Politik also.

Es ist ihm zuzutrauen, dass er auch als Ministerpräsident alles gibt. Und er wird wissen, dass "alles" in diesem Fall mehr sein muss als vor allem eine perfekte Inszenierung. Die Menschen spüren recht gut, ob einer wirklich mit Herzblut und Leidenschaft agiert. Dass Söder sein bisheriges, noch gar nicht so altes Image als Macher, aber eben auch als Macho und Rambo so sehr anhängt, das liegt gewiss auch an uns Medien, aber vor allem: an ihm selbst.

Die Macht ist mit ihm

Möge die Macht mit dir sein: Natürlich kennt der Star-Wars-Fan Söder den Spruch aus diesen Filmen. Nun hat er ein ganzes Stück mehr Macht an seiner Seite. Reicht ihm Bayern als Bühne? Reicht ihm das Amt Nummer eins ohne das Amt Nummer zwei, den CSU-Vorsitz? Wie gehen die Alphatiere Söder und Seehofer nun miteinander um, der eine in München, der andere in Berlin? Die Versuchung, sich auf Kosten des Bundes zu profilieren, war für die CSU stets riesig.

Man darf gespannt sein, was der Nürnberger aus seinem Amt macht. Gut, dass er erkannt hat: Macht wird auf Zeit verliehen, nie für immer. Da ist er einen wichtigen Schritt weiter als Seehofer, der nicht lassen kann von der Macht. Menschen sind ersetzbar, überall. Wie die Spieler auf der Bühne, die Welt heißt. Oder Bayern.

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