Kommentar: Terrorangst in Deutschland

17.11.2010, 18:34 Uhr
Kommentar: Terrorangst in Deutschland

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Oder soll er seine Lebkuchen besser zuhause essen – besorgt, aber frei von jeder Hysterie? Warnungen ohne konkrete Verhaltensregeln sind schwerer verdaulich als ranzig gewordenes Butterzeug.

Andererseits: Wenn am Nürnberger Hauptbahnhof plötzlich schwer bewaffnete Spezialeinheiten der Polizei auftauchen, die wir eher in Stuttgart vermutet hätten, verlangen wir nach einer Erklärung. Und wenn tatsächlich „etwas passiert“ – wird dann nicht jeder auf den Innenminister zeigen, der mutmaßlich mehr gewusst hat, als er sagen wollte? Gerade jene, die den Verantwortlichen jetzt reine Panikmache vorwerfen, werden die ersten sein, die im Falle eines Falles unverantwortliche Versäumnisse in der Informationspolitik geißeln.

Das schlimmste am Terroranschlag ist nicht der Anschlag, sondern der Terror. Wenn uns die Angst zu Geiseln macht, wenn wir aufhören, unseren Alltagsgeschäften und Alltagsvergnügungen wie gewohnt nachzugehen, wenn die Politik anfängt, sich ihr Handeln von Bombenangst vorschreiben zu lassen, dann haben die Terroristen ihr Ziel zur Hälfte schon erreicht. Umgekehrt heißt das, dass die lähmende Angst vor einem Anschlag den Anschlag schon fast ersetzen kann. Man muss keinen Flughafen sprengen, um die Infrastruktur eines Industrielandes zu treffen – es genügt, wenn man durch schiere Drohungen Schreckstarre auslöst.

Im vom Terror viel stärker bedrohten Großbritannien wird die Öffentlichkeit nicht über eventuell bevorstehende, sondern über tatsächlich verhinderte Anschläge informiert. Das schafft Vertrauen und ermutigt zugleich zu selbstbewusster Wachsamkeit. Beides ist allemal besser als ein zittriges Balancieren zwischen Sorge und Hysterie, das uns von vornherein zu Opfern macht.

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