Kommentar: Volk im Liebeskummer

2.3.2011, 17:36 Uhr

Da lieben die kleinen Leute endlich mal einen von denen da oben – und schon werden sie von Professoren und Journalisten darüber belehrt, dass ihre Zuneigung einem Unwürdigen gilt, dessen Verfehlungen zu begreifen sie eben leider nicht in der Lage sind. Die Verbitterung über Guttenbergs Rücktritt hat auch damit zu tun, dass der Bürger nicht nur dann als „mündig“ ernst genommen werden will, wenn er gerade gegen Stuttgart21 demonstriert.

Und hat nicht auch die Kanzlerin, die wohl kaum der Nachhilfe über den Stellenwert einer Doktorarbeit bedarf, von der „Scheinheiligkeit“ jener gesprochen, die im Namen akademischer Werte nur den besten Wahlkämpfer der Union zur Strecke bringen wollten? Denen es egal gewesen wäre, ob zu Guttenberg über einen Luftangriff, ein Segelschiff oder eine Doktorarbeit stürzt? Vor ziemlich genau zehn Jahren wurde der damalige Polit-Star Joschka Fischer von seiner Vergangenheit eingeholt. Fotos zeigten ihn als Studenten beim Einprügeln auf einen wehrlosen Polizisten. Damals waren fast 80 Prozent der Bürger dafür, dass der Außenminister im Amt bleibt – und er blieb. Nun fragt sich mancher, ob Gewalt gegen Menschen – sofern es „nur“ Polizisten sind – hierzulande leichter wiegt als Schummeln bei der Doktorarbeit.

Wie auch immer, zu Guttenberg wird sich nun nicht bei dem von ihm voreilig geschassten Kapitän der Gorch Fock entschuldigen müssen und es bleibt ihm auch erspart, mit der Laterne nach Freiwilligen für seine neue Profi-Truppe zu suchen. Der Baron scheidet „im Felde unbesiegt“ aus dem Amt – mit Blick auf einen Neuanfang kein Nachteil.

Die Großbaustelle Bundeswehr übernimmt der bisherige Innenminister Thomas de Maizière, Merkels Allzweckwaffe. Was auf ihn zukommt, dürfte dem Sohn eines Generalinspekteurs klar sein. Aber es wäre das erste Mal, dass er in einem Amt keine gute Figur macht. De Maizière fühlt sich wie zu Guttenberg preußischen Tugenden verpflichtet, nur dass er unter diesen das „Mehr sein als scheinen!“ Moltkes nicht vergessen hat. Viele Bürger wird das langweilen, sie wollen Guttenberg wieder auf der Bühne sehen, egal in welcher Rolle. Seehofer selbst hat ihnen darauf sein Wort gegeben – für den CSU-Chef kein ungefährliches Versprechen.

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