Kommentar: Warum Irland das Abtreibungsverbot kippt

26.5.2018, 12:02 Uhr
Kommentar: Warum Irland das Abtreibungsverbot kippt

© Niall Carson/PA Wire/dpa

Es gab bisher kein Land, das mehr von der katholischen Kirche geprägt ist als Irland. Auch nicht Italien, auch nicht Spanien. Das hat historische Gründe, die weit zurückreichen - bis zur Jahrhunderte dauernden, blutigen Unterdrückung der Menschen durch England. Geistliche solidarisierten sich mit ihnen, halfen, schützten Freiheitskämpfer. Solche Erfahrungen verbinden, bis weit in die Moderne hinein.

Aus, vorbei. Die katholische Kirche lehnt die Homo-Ehe strikt ab. Trotzdem führte Irland sie als erstes Land der Welt vor drei Jahren ein. Der Vatikan macht Front gegen die Abtreibung. Trotzdem stimmt eine überwältigende Mehrheit der Iren dafür - traut man zwei Nachwahlbefragungen, sind es mehr als zwei Drittel. Das sind so klare Zahlen, dass sich schon vor Bekanntgabe des endgültigen Ergbnisses sagen lässt: Der erste Schritt zur Abschaffung des fast vollständigen Abtreibungsverbots ist getan. Eine Fristenregelung wird kommen.

Die katholischen Geistlichen in Irland hatten am Ende nicht einmal mehr den Mut, sich in die ebenso engagierte wie im Ton zivilisierte Debatte groß einzumischen. Der Grund ist: Sie haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Es geht dabei um Schuld, die die Kirche in Irland auf sich geladen hat, um Schuld, die ohne Sühne blieb.

Es gab Priester, die Kinder missbrauchten. Das ist Jahre her, Rom tat sich mit einer klaren Abgrenzung zu solchen Taten schwer. Das haben die Opfer nicht vergessen, ihre Familien nicht, die gesamte Gesellschaft nicht.

Es gab Nonnen, die ihnen anvertraute Kinder in Heimen demütigten, schlugen und, falls sie starben, mehr oder weniger verscharrten. Der Grund: Die Jungen und Mädchen waren unehelich auf die Welt gekommen, in Augen der Ordensfrauen Früchte der Sünde. Selbst wenn man das so sehen sollte: Muss man hier wirklich ernsthaft erklären, dass Kinder nichts für ihre Eltern können?

Merke: Wer Moral predigt, muss Moral vorleben. Andernfalls ist die Fallhöhe gewaltig - wie in Irland. Es waren ja, zugegeben, die Taten einzelner. Aber sie haben die gesamte Zunft in Verruf gebracht - und konnten das auch tun, weil die gesamte Kirche kein Interesse an echter Aufklärung und damit an, um es im theologischen Sprachgebrauch zu sagen,  Läuterung hatte.

Wenn die bisher vorliegenden Analysen stimmen, dann hat praktisch die gesamte junge Generation gegen die Lehre der Kirche gestimmt. In der Sache ist das richtig, sie ist in diesem Punkt schlicht unbarmherzig.

Denn: Die vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft darf zwar jeder kritisch sehen. Die Realität aber ist, dass kein Verbot, an keinem Ort dieser Erde, solche Abbrüche aus der Welt geschafft hat. Natürlich auch nicht in Irland.

Daraus gibt es nur eine Konsequenz: Das Gespräch mit den Frauen, die betroffen sind, das Anbieten von Hilfen. So etwas geht aber nur, wenn Abbrüche aus der Illegalität geholt werden und niemand, wie bisher in Irland,  Angst vor 14 Jahren Haft haben muss. Genau solche Regelungen sind jetzt möglich. Und das ist ein echter Fortschritt, für die Frauen und auch für viele Kinder, die trotz alledem auf die Welt kommen.

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