Kommentar: Was wäre, wenn... die Trump-Prognosen irren?

20.1.2017, 14:23 Uhr
He will rock you: Donald J. Trump, nunmehr mächtigster Mann der Welt.

© afp He will rock you: Donald J. Trump, nunmehr mächtigster Mann der Welt.

Donald John Trump ist jetzt der mächtigste Mann der Welt. Wie er das geschafft hat? Na, wir leben doch neuerdings in postfaktischen Zeiten. Da geht sowas. Kaum einer kann sich erinnern an damals, also vor Syrien, als das Faktische noch regierte. Als Wahlen noch in aller Sachlichkeit durch themenbezogene und lösungsorientierte Diskurse gewonnen wurden – und am Ende die Liebe über den Hass triumphierte. Als Politiker noch zu den beliebtesten aller Menschen zählten. Und als die Presse noch jeden Lügen strafte, der in dem, was er für richtig hielt, falsch lag.

Nun aber haben "die Amis" scheinbar die Büchse der Pandora geöffnet und ein Biest von der Leine gelassen, dem sie niemals mehr Herr werden. Denn sie wussten nicht, was sie tun?

Prognose 1: Amerikaner regeln ihre Präsidenten, ob fähig oder verkorkst, immer sehr gut selbst. Sie haben sich schon mit Säufern (Grant), Gaunern (Nixon), Ufo-Gläubigen (Carter), Schürzenjägern (Clinton) und Minderbemittelten (Bush der Zweite) herumschlagen müssen. Gerieten die Lügen, die Blut-, Geld- oder Spermapfützen eines Präsidenten zu groß, wurde er von Volk und Kongress gnadenlos abgewickelt, mal früher, mal später. Auch ein Mann vom Formate eines Donald Trump (16:9) ist am Ende genau jenen Stimmungsschwankungen des Pöbels ausgeliefert, die ihm am Anfang noch hoch oben auf der Woge des Zorns reiten ließen.

Mit den Antibildungsbürgern des Südens, den vergrämten Gestrigen, den Entlassenen und Kleinmütigen, zu deren "Voice" er sich aufbrezelte, hat er ungefähr so viel gemeinsam wie Alexander Gauland mit Jérôme Boateng. Doch konnte er sie mobilisieren, vereint im dümmsten gemeinsamen Nenner: Angst. Angst vor der Zukunft, Angst vor Terror, Angst vor Muslimen, Mexikanern und Schwarzen, Angst vor China, Deutschland und Europa, Angst vor Steuern, Angst vor Waffenkontrolle, Angst vor den Nachbarn, Angst vor der Frau, dem Mann, den Kindern. Keine Angst macht Trump eigentlich nur Russland und das Klima.


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Ein unberechenbarer Irrer soll er sein. Ein Sexist, Rassist und Haifisch-Kapitalist, menschlich so ungehobelt wie politisch unerfahren. Verkommen bis ins Mark. Das sagen seine Gegner im Inland wie auch (die meisten) Berufspolitiker und Intellektuellen außerhalb der USA. Und allein ein Blick auf sein künftiges Kabinett - Neonazis, Multis, Falken, konservative Reptilien - würde das bezeugen. Doch wenn wir ehrlich sind: Ein solches Stelldichein der Widerwärtigen und Verbrauchten gab es schon unter George W. Bush.

Prognose 2: Ob der eigenen Unfähigkeit, eine Supermacht zu regieren, wird es Trump wie Dabbelju halten und sich vom politischen Tagesgeschäft tunlichst fernhalten. Wie er dann Amerika great again macht? Einwanderer kriminalisieren, Militäretat steigern, Finanzmärkte entfesseln und Steuern - insbesondere für Besserverdiener- senken. Kennen wir bereits von Ronald Reagan, den die Welt solide überstanden hat. Und der war nur ein halb so guter Schauspieler wie Trump.

Wir Europäer schauen gerne aus der Ferne in die Ferne und propagieren den unvermeidlichen Niedergang Amerikas. Die sterbende Supermacht. Der neue US-Präsident stehe dafür als Sinnbild. Mit ihm an der Spitze der freien Welt, droht selbige vollends aus den Fugen zu geraten.

Prognose 3: Die Grundfesten der westlichen Demokratie vermag selbst ein Trump nicht zu zerschmettern. Gegen das amerikanische Parlament (das noch immer voller Politiker ist) kann kein US-Präsident langfristig anregieren. Trump ist in der eigenen Partei umstritten genug - folglich wird er sich selbst dem republikanisch dominierten Kongress fügen müssen. Und dort hat man auch nicht vergessen, wozu beispielsweise haltlose Anti-Terror-Kriege führen können.

Den größten Schaden hat Donald J. Trump ohnehin angerichtet, bevor er überhaupt offiziell ins Weiße Haus einzog: die irreparable, im Wahlkampf zelebrierte Vernichtung der demokratischen Sprache. Alles scheint fortan erlaubt zu sein. Make Verleumdung Great Again - auch bei uns in Deutschland: Wir sehen uns zur Bundestagswahl!

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