Kommentar zur Agrarmesse: Die Branche ist tief gespalten

21.1.2019, 14:31 Uhr
Anlässlich der Agrarmesse Grüne Woche demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Berlin für mehr Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft.

© Ralf Hirschberger/dpa Anlässlich der Agrarmesse Grüne Woche demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Berlin für mehr Umwelt- und Tierschutz in der Landwirtschaft.

Vergangenes Wochenende drehte sich in Berlin vieles - wenn auch nicht alles - um das Thema Landwirtschaft. Das hat Tradition, denn alljährlich treffen Mitte Januar mehrere Termine aufeinander: Da wird mit der "Internationalen Grünen Woche" eine der wohl ältesten Agrarmessen der Welt (gegründet 1926) eröffnet, gleichzeitig tagen die Landwirtschaftsminister aus Bund und Ländern, um an der deutschen Agrarpolitik zu feilen.

Seit 2011 werden diese Veranstaltungen begleitet von der Demonstration "Wir haben es satt!", die eine "Agrarwende" fordert - also ein Umsteuern beim Verteilen von Fördermitteln, die nicht mehr hauptsächlich nach der Größe der Fläche vergeben werden, sondern dem Wohl von Nutztieren und dem Schutz von Böden, Insekten und Atmosphäre dienen sollen. Auch dieses Jahr waren wohl wieder um die 30.000 Menschen für dieses Ziel auf der Straße. Parallel findet seit einigen Jahren noch eine Gegen-Demo zur Demo statt, die unter dem Slogan "Wir machen euch satt" die Agrar-Branche verteidigen will "gegen Pauschalverurteilungen und Diffamierungen".

Es gibt nicht "die Bauern"

Viel Aufmerksamkeit für ein Thema also, mit dem die meisten Menschen im Alltag wenig bis gar keine Berührung haben: Zwar konsumieren wir täglich die Erzeugnisse von Landwirten aus Deutschland und der ganzen Welt. Doch die wenigsten wissen, welche Arbeit wirklich dahinter steckt. Dass darüber mal berichtet und geredet wird, ist positiv.

Die beiden Berliner Demos zeigen außerdem, dass es "die Bauern" gar nicht gibt: So fuhren an der "Wir haben es satt" in diesem Jahr laut Veranstalter 171 Landwirte - Ökos und Konventionelle - aus dem ganzen Land mit ihren Traktoren mit, um sich für einen Umbau der Agrarpolitik einzusetzen. Gleichzeitig zählten die Macher hinter "Wir machen euch satt" am Vortag 150 Landwirte, die unter anderem beklagen, dass "Fälle von Mobbing und Ausgrenzungen von Landwirten und sogar Bauernkindern" zunähmen.

Die Agrar-Branche ist tief gespalten

Tatsächlich ist die Branche wohl ziemlich tief gespalten zwischen denen, die sich ein stärkeres Eingreifen der Politik zugunsten kleinerer Betriebe und der Umwelt wünschen und jenen, für die sich Berlin und Brüssel möglichst raushalten sollen aus ihrem Geschäft - abgesehen natürlich von den Subventionen, ohne die kaum ein Bauernhof den knallharten Wettbewerb überleben kann. Angefacht wird dieser von Supermarkt-Konzernen, die dank ihrer Marktmacht Tiefstpreise festsetzen können - und von uns Verbrauchern, die wir uns beim Einkauf häufig von Schnäppchen verleiten lassen.

Darin sind sich denn wohl auch die meisten Landwirte einig, ob sie nun ein "Bauernhof-Idyll" oder eine"Agrarfabrik" führen: Wer will, dass sich die Landwirtschaft verändert, muss bereit sein, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben. Allerdings: Nur den Verbrauchern den Schwarzen Peter zuzuschieben, das ist zu einfach. Die Bundesregierung verhandelt zurzeit in Brüssel über die EU-Agrarpolitik der kommenden Jahre, Berlin hat hier - wie in vielen Bereichen - großes Gewicht, tritt Beobachtern zufolge aber eher als Bremser, als Vertreter des "Weiter so" denn als Innovator auf. Und weiß dabei wohl einen gewichtigen Teil der Agrarbranche hinter sich.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sollte aber nicht vergessen, dass es bei den fast 60 Milliarden Euro, die derzeit EU-weit pro Jahr in die Branche gepumpt werden, um Steuergelder geht. Angesichts dieser Summe sollte eine fairere Landwirtschaft, die auch die Teilnehmer der "Wir haben es satt!" fordern, möglich sein. Und zwar fair sowohl für die Bauern, als auch für Tiere und Umwelt.

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