Kommentar zur Österreich-Wahl: Durchatmen, mehr nicht

4.12.2016, 18:04 Uhr
Alexander van der Bellen zieht als neuer Bundespräsident in die Wiener Hofburg ein.

© dpa Alexander van der Bellen zieht als neuer Bundespräsident in die Wiener Hofburg ein.

Untergangspropheten hatten sich schon auf den Worst Case eingestellt. Darauf, dass in Wien der FPÖ-Mann Hofer das Rennen macht und am gleichen Tag in Rom der italienische Regierungschef Matteo Renzi Schiffbruch mit seinem Verfassungsreferendum erleidet. Wie diese Abstimmung ausgeht, das erfahren wir erst am Montag.

Eine Schlappe für Renzi würde in Brüssel die Alarmglocken schrillen lassen: Der forsche Premier hat das Reformpaket ziemlich eng mit seinem Verbleib im Amt verbunden. Scheitert er, dann wäre der Weg wohl frei für Neuwahlen - und da hätte die populistische "5 Stelle" (5 Sterne)-Bewegung des früheren Kabarettisten Beppe Grillo gute Chancen, stärkste Kraft zu werden. Der Verbleib Italiens in der Europäischen Union wäre gefährdet - was bei der drittgrößten Volkswirtschaft der EU weitaus größere Folgen hätte als das Schwächeln der Griechen oder Portugiesen.

In Österreich wurde nun eine Fortsetzung eines Trends abgewendet, der in diesem Jahr Geschichte schrieb: Wahlen bzw. Abstimmungen mit ungeahnten, überraschenden, für die Freunde freiheitlicher Demokratien und des freien Handels schockierenden Ergebnissen.

Viele offene Fragen

Da war zunächst der Brexit, den niemand auf der Rechung hatte. Und da war dann der Triumph von Donald Trump, der wiederum fast alle Experten verblüfft hatte: ein doppelter Schock für die etablierten Parteien und für die Anhänger eines geeinten Europa.

Die Autoritären sahen (und sehen) sich dagegen auf dem Siegeszug. Der ist auch nach dem Erfolg des Liberalen van der Bellen in Österreich keineswegs gestoppt. Die nächsten Wahlen stehen bevor: 2017 kommt es in Frankreich wohl zum Duell zwischen dem Konservativen Francois Fillon und Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National.

Wie die Bundestagswahl Ende September ausgeht? Wer danach regieren kann? Auch das ist offen. Und spätestens 2018 wählen die Österreicher wieder, wo FPÖ-Chef Strache einen Posten anstrebt, der weitaus wichtiger ist als der des Staatsoberhaupts: Er will erster FPÖ-Kanzler werden.

Möglich, dass das Trump-Fanal nicht nur dessen Sympathisanten ermutigt hat, sondern auch die Freunde der Offenen Gesellschaft, der liberalen Demokratien, des geeinten und zusammenarbeitenden Europas. Dann wäre das ein heilsamer Schock gewesen. Aber ausruhen dürfen sich überzeugte und engagierte Demokraten nie - den Fehler haben sie zu lange gemacht, in zu vielen Staaten.

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