Die komplizierte Beziehung zwischen Merkel und Seehofer

8.7.2018, 14:16 Uhr
Am 18. Januar 1991 wird die bundesweit kaum bekannte Angela Merkel zur Ministerin für Frauen und Senioren ernannt. Seehofer gehört da schon im zweiten Jahr der Bundesregierung an – allerdings nur als Staatssekretär im Arbeitsministerium. Der altgediente Parteisoldat (seit 1969 in der Jungen Union) hat damit trotz seiner langjährigen Erfahrung einen schlechteren Posten als die Frau aus dem Osten. Zwar zieht er später gleich, als er Gesundheitsminister wird. Aber ein deutlicher Rangunterschied kennzeichnet weite Strecken der Beziehung. In den ersten gemeinsamen Jahren ist übrigens nicht viel von irgendwelchen Kontakten zwischen den beiden überliefert. Sie arbeiten weitgehend nebeneinander her.
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"Jugendjahre" im Kabinett

Am 18. Januar 1991 wird die bundesweit kaum bekannte Angela Merkel zur Ministerin für Frauen und Senioren ernannt. Seehofer gehört da schon im zweiten Jahr der Bundesregierung an – allerdings nur als Staatssekretär im Arbeitsministerium. Der altgediente Parteisoldat (seit 1969 in der Jungen Union) hat damit trotz seiner langjährigen Erfahrung einen schlechteren Posten als die Frau aus dem Osten. Zwar zieht er später gleich, als er Gesundheitsminister wird. Aber ein deutlicher Rangunterschied kennzeichnet weite Strecken der Beziehung. In den ersten gemeinsamen Jahren ist übrigens nicht viel von irgendwelchen Kontakten zwischen den beiden überliefert. Sie arbeiten weitgehend nebeneinander her. © Tim Brakemeier/dpa

Im Jahr 2004 ist die Union schon geraume Zeit in der Opposition, ein Ende des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder scheint so schnell nicht in Sicht. Angela Merkel hat das Ende ihrer Regierungskarriere nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Inzwischen ist sie Fraktions- und Parteivorsitzende, gleichzeitig Oppositionsführerin, und damit die mächtigste Figur in der Union. Für Horst Seehofer ist es nicht ganz so gut gelaufen, er ist nur noch Fraktionsvize. Dann kracht es erstmals zwischen Merkel und Seehofer. Die damals noch offen neoliberal auftretende Fraktionschefin befürwortet in der Gesundheitspolitik, eigentlich der fachlichen Domäne des Bayern, die sogenannte "Kopfprämie". Horst Seehofer will das nicht mitmachen. Er tritt unter Protest zurück. Sie macht keine allzu großen Anstalten, ihn zu halten. Zwischenzeitlich sieht es so aus, als könne Seehofer ganz auf die Politik verzichten.
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Der erste große Knatsch

Im Jahr 2004 ist die Union schon geraume Zeit in der Opposition, ein Ende des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder scheint so schnell nicht in Sicht. Angela Merkel hat das Ende ihrer Regierungskarriere nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Inzwischen ist sie Fraktions- und Parteivorsitzende, gleichzeitig Oppositionsführerin, und damit die mächtigste Figur in der Union. Für Horst Seehofer ist es nicht ganz so gut gelaufen, er ist nur noch Fraktionsvize. Dann kracht es erstmals zwischen Merkel und Seehofer. Die damals noch offen neoliberal auftretende Fraktionschefin befürwortet in der Gesundheitspolitik, eigentlich der fachlichen Domäne des Bayern, die sogenannte "Kopfprämie". Horst Seehofer will das nicht mitmachen. Er tritt unter Protest zurück. Sie macht keine allzu großen Anstalten, ihn zu halten. Zwischenzeitlich sieht es so aus, als könne Seehofer ganz auf die Politik verzichten. © Peer Grimm/dpa

Während Sozialdemokraten vom ersten Moment der Parteimitgliedschaft an zueinander "Du" sagen dürfen und selbst in der CSU ab einer gewissen Ebene das Duzen durchaus üblich ist, ist das bei der CDU nicht der Regelfall. Dort herrscht zunächst das "Sie". Bei Seehofer und Merkel war es 2008 so weit. Seitdem sagen sie "Horst" und "Angela" zueinander. Seehofer hatte gerade das Kabinett verlassen, um Ministerpräsident in Bayern und CSU-Vorsitzender zu werden. Passiert sein soll es bei einem vertraulichen Gespräch in Berlin. Zumindest als Chefs von Schwesterparteien standen sie jetzt auf derselben Ebene. Rein menschlich hat das "Du" offensichtlich nicht viel gebracht. Ganz im Gegenteil. Von 2008 an hat sich die Beziehung rapide verschlechtert.
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Die beiden Duzfreunde

Während Sozialdemokraten vom ersten Moment der Parteimitgliedschaft an zueinander "Du" sagen dürfen und selbst in der CSU ab einer gewissen Ebene das Duzen durchaus üblich ist, ist das bei der CDU nicht der Regelfall. Dort herrscht zunächst das "Sie". Bei Seehofer und Merkel war es 2008 so weit. Seitdem sagen sie "Horst" und "Angela" zueinander. Seehofer hatte gerade das Kabinett verlassen, um Ministerpräsident in Bayern und CSU-Vorsitzender zu werden. Passiert sein soll es bei einem vertraulichen Gespräch in Berlin. Zumindest als Chefs von Schwesterparteien standen sie jetzt auf derselben Ebene. Rein menschlich hat das "Du" offensichtlich nicht viel gebracht. Ganz im Gegenteil. Von 2008 an hat sich die Beziehung rapide verschlechtert. © DAVID GANNON/AFP

Der aktuelle Machtkampf ist nicht der erste, den Horst Seehofer mit Angela Merkel ausfechtet, wohl aber der brutalste. Dagegen nimmt sich die Auseinandersetzung um die Ausländermaut fast harmlos aus. Doch auch die hatte es in sich. Die CSU wollte 2013 die Maut, Merkel wollte sie nicht. Die CSU beharrte darauf. Merkel goss ihre Ablehnung in den kühlen Satz: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Seehofer konterte, ohne die Maut werde er keinen Koalitionsvertrag unterschreiben. Die Maut kam in den Koalitionsvertrag; und auch wenn sie bis heute nicht in die Praxis umgesetzt ist und jetzt Infrastrukturabgabe heißt, ausformuliert ist sie längst.
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Kein Satz für die Ewigkeit

Der aktuelle Machtkampf ist nicht der erste, den Horst Seehofer mit Angela Merkel ausfechtet, wohl aber der brutalste. Dagegen nimmt sich die Auseinandersetzung um die Ausländermaut fast harmlos aus. Doch auch die hatte es in sich. Die CSU wollte 2013 die Maut, Merkel wollte sie nicht. Die CSU beharrte darauf. Merkel goss ihre Ablehnung in den kühlen Satz: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Seehofer konterte, ohne die Maut werde er keinen Koalitionsvertrag unterschreiben. Die Maut kam in den Koalitionsvertrag; und auch wenn sie bis heute nicht in die Praxis umgesetzt ist und jetzt Infrastrukturabgabe heißt, ausformuliert ist sie längst. © Rainer Jensen/dpa

Wann es zum endgültigen Vertrauensverlust zwischen beiden kam, lässt sich terminieren. Es war am 4. September 2015, als Angela Merkel entschied, in Ungarn festsitzende syrische Flüchtlinge dürfen nach Deutschland reisen. Die Folgen dieser überraschenden Aktion betrafen in erster Linie Bayern, weil die meisten Menschen dort ankamen. Doch es gab im entscheidenden Moment kein Gespräch der Kanzlerin mit dem Ministerpräsidenten. Die Gründe dafür sind nicht abschließend geklärt. Aus Berlin hört man, Seehofer sei nicht erreichbar gewesen. Der CSU-Vorsitzende hingegen sah sich ohne Not in einer der wichtigsten politischen Fragen übergangen.
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Der große Bruch

Wann es zum endgültigen Vertrauensverlust zwischen beiden kam, lässt sich terminieren. Es war am 4. September 2015, als Angela Merkel entschied, in Ungarn festsitzende syrische Flüchtlinge dürfen nach Deutschland reisen. Die Folgen dieser überraschenden Aktion betrafen in erster Linie Bayern, weil die meisten Menschen dort ankamen. Doch es gab im entscheidenden Moment kein Gespräch der Kanzlerin mit dem Ministerpräsidenten. Die Gründe dafür sind nicht abschließend geklärt. Aus Berlin hört man, Seehofer sei nicht erreichbar gewesen. Der CSU-Vorsitzende hingegen sah sich ohne Not in einer der wichtigsten politischen Fragen übergangen. © TOBIAS SCHWARZ/AFP

Im Umgang mit politischen Freunden kennt Horst Seehofer keine Gnade. Seine Münchner Parteifreunde wissen das seit Langem; Angela Merkel weiß es spätestens seit dem 20. November 2015. An jenem Tag hatte sie sich den Delegierten des CSU-Parteitages gestellt, kurz nach dem Beginn der Flüchtlingskrise, und ihre Position verteidigt. Wie üblich trat Seehofer zu ihr ans Mikrofon, mit Blumen in der Hand. Doch dann redete Seehofer. Eine gute Viertelstunde lang kanzelte er die Kanzlerin ab, die wie ein Schulmädchen hilflos neben ihm stehen bleiben und zuhören musste. Merkel verschwand grußlos durch einen Seiteneingang aus der Halle, als die Tiraden Seehofers endlich ein Ende gefunden hatten.
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Ein Akt der Demütigung

Im Umgang mit politischen Freunden kennt Horst Seehofer keine Gnade. Seine Münchner Parteifreunde wissen das seit Langem; Angela Merkel weiß es spätestens seit dem 20. November 2015. An jenem Tag hatte sie sich den Delegierten des CSU-Parteitages gestellt, kurz nach dem Beginn der Flüchtlingskrise, und ihre Position verteidigt. Wie üblich trat Seehofer zu ihr ans Mikrofon, mit Blumen in der Hand. Doch dann redete Seehofer. Eine gute Viertelstunde lang kanzelte er die Kanzlerin ab, die wie ein Schulmädchen hilflos neben ihm stehen bleiben und zuhören musste. Merkel verschwand grußlos durch einen Seiteneingang aus der Halle, als die Tiraden Seehofers endlich ein Ende gefunden hatten. © Peter Kneffel/dpa

Zweieinhalb Jahre hat sich Seehofer an ihrer Flüchtlingspolitik abgearbeitet, hat er die Kanzlerin angegriffen, ihr wütende Briefe geschrieben, mit Verfassungsklage gedroht (obwohl seine Partei der Regierung Merkel angehört), ihr unterstellt, sie schaffe eine "Herrschaft des Unrechts". Im Februar 2017 wirft Seehofer das Ruder plötzlich herum, lädt Merkel und die CDU nach München zu Gesprächen und tut, als habe es den schmutzigen Scheidungskrieg nie gegeben. Seehofer, der die Kanzlerin über Jahre bekämpft hat, will mit ihr in den Wahlkampf ziehen. Es kommt zu einer legendären Pressekonferenz. Seehofer beschwört die Harmonie, Merkels Mimik aber macht klar, dass sie ihm nicht traut.
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Beschwörte Harmonie

Zweieinhalb Jahre hat sich Seehofer an ihrer Flüchtlingspolitik abgearbeitet, hat er die Kanzlerin angegriffen, ihr wütende Briefe geschrieben, mit Verfassungsklage gedroht (obwohl seine Partei der Regierung Merkel angehört), ihr unterstellt, sie schaffe eine "Herrschaft des Unrechts". Im Februar 2017 wirft Seehofer das Ruder plötzlich herum, lädt Merkel und die CDU nach München zu Gesprächen und tut, als habe es den schmutzigen Scheidungskrieg nie gegeben. Seehofer, der die Kanzlerin über Jahre bekämpft hat, will mit ihr in den Wahlkampf ziehen. Es kommt zu einer legendären Pressekonferenz. Seehofer beschwört die Harmonie, Merkels Mimik aber macht klar, dass sie ihm nicht traut. © Uwe Anspach/dpa

Der Bundesinnenminister und die Kanzlerin scheinen auf keinen grünen Nenner in der Asylpolitik zu kommen. CDU und CSU finden keinen gemeinsamen Kurs, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Seehofer spricht von Rücktritt - rudert allerdings wenig später wieder zurück.
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Kurz vor dem Rücktritt

Der Bundesinnenminister und die Kanzlerin scheinen auf keinen grünen Nenner in der Asylpolitik zu kommen. CDU und CSU finden keinen gemeinsamen Kurs, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Seehofer spricht von Rücktritt - rudert allerdings wenig später wieder zurück. © Michael Kappeler/dpa

Merkel und Seehofer haben sich im Asylstreit auf einen Kompromiss geeinigt. Der Bundesminister des Innern, Bau und Heimat tritt nun doch nicht zurück. Für ihn ist der Streit mit der Kanzlerin erledigt:"Wir schauen nach vorne."
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Ein Kompromiss ist gefunden

Merkel und Seehofer haben sich im Asylstreit auf einen Kompromiss geeinigt. Der Bundesminister des Innern, Bau und Heimat tritt nun doch nicht zurück. Für ihn ist der Streit mit der Kanzlerin erledigt:"Wir schauen nach vorne." © Kay Nietfeld/dpa

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