Kubicki: "Söder hält sich für den König des Nabels der Welt"

12.5.2018, 05:56 Uhr
Kubicki:

© Eduard Weigert

Herr Kubicki, wir können es nicht lassen: Letzte Woche war Ihr Parteichef Christian Lindner hier, und er sagte auf unsere Frage, ob Jamaika nicht besser gewesen wäre als die GroKo, momentan seien mit keiner dieser beiden Konstellationen echte Reformen möglich. Eine ausweichende Antwort. Daher noch mal: Bereut es die FDP, nicht mitregieren zu können?

Wolfgang Kubicki: Wir haben ja nicht bewusst darauf hingearbeitet, dass Jamaika scheitert. Ich komme aus einer funktionierenden Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein. Aber die Verhandlungen hatten teilweise Slapstick-Charakter. Beispiel Bürokratieabbau: Wir haben vorgeschlagen, die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn zu lockern. Die CDU hat gesagt: Gute Idee, da gehen wir mit. Die Grünen haben gesagt: Mit uns geht das gar nicht, die Gewerkschaften haben viele Verstöße festgestellt, wir wollen mehr Zöllner einstellen. Merkel hat gesagt: Das Argument verstehe ich auch, dann ist es doch besser, wir lassen alles so, wie es ist.

Welche Note geben Sie denn der GroKo bisher?

Kubicki: Sie konnte in der kurzen Zeit noch nicht viel leisten. Was mich betrübt, ist die Tatsache, dass der jetzige Außenminister Heiko Maas glaubt, Außenpolitik bestehe darin, das Gegenteil von dem zu machen, was Sigmar Gabriel gemacht hat. Nur zu erklären, wir stellen uns an die Seite unserer westlichen Partner, ohne zu definieren, wo unsere Eigeninteressen liegen, ist schon ziemlich fahrlässig. Da kann ich nur sagen: Unser derzeitiger Außenminister ist höchstens Mittelmaß. Horst Seehofer hat jetzt zu viele Aufgabengebiete – unter anderem Bau. Als Vorsitzender der Baukommission des Bundestages habe ich ihn schon vorgewarnt: Ab August werde ich, wenn es nicht funktioniert, öffentlich erklären: Du bist in deinem Amt überfordert. Was mich freut, ist, dass mit Olaf Scholz ein Mann im Finanzministerium sitzt, der sehr nüchtern an Sachen herangeht, und der die Politik von Wolfgang Schäuble konsequent fortsetzen will. Das beruhigt mich, weil ich ja weiß, wie schnell man bereit ist, Geld auszugeben, um den Wählern zu gefallen.

Sie haben mal gesagt, Sie wollten nie Minister in Berlin werden. Beneiden Sie Olaf Scholz jetzt doch um seinen Job – oder sind sie froh, dass der Kelch an Ihnen vorbeigegangen ist?

Kubicki: Persönlich bin ich extrem froh. Es gibt nichts Schöneres, als Vizepräsident des Bundestages zu sein. Aus politischen Gründen hätte ich den Job als Finanzminister allerdings gerne gemacht – zum Beispiel, um eine deutsche Antwort auf Emmanuel Macrons Europapolitik zu geben.

Wie sehr hat die AfD den Ton im Parlament verändert, wie oft müssen Sie als Vizepräsident eingreifen?

Kubicki: Die AfD ist zum Teil eine echte Zumutung. Aber vor allem ist die AfD in einer Findungsphase, in der es teilweise spätpubertäres Verhalten gibt. Ihr Stilmittel ist die Provokation. Und sie freut sich jedes Mal, wenn sie die anderen auf die Palme bringt. Wenn es gelingt, sie einfach ins Leere laufen zu lassen, dann würde dieses Stilmittel sich erschöpfen.

Die CSU hat ihre Tonlage als Reaktion auf die AfD verschärft – aber in Bayern nutzt das bisher der AfD.

Kubicki: Das leuchtet doch ein. Sie können nicht dauernd nur bellen und nicht beißen. Markus Söder könnte zum Beispiel mal erklären, wo er die vier Ankerzentren für Flüchtlinge in Bayern errichten will, die Seehofer plant.

Lenkt Söder mit dem Kreuz von solchen härteren Debatten ab?

Kubicki: Söder ist ja an sich ein Kreuz. Was er aufhängen will, ist nicht das Kruzifix, das wäre ja verfassungswidrig, sondern ein bayerisches Kreuz. In den Städten wirkt das eher lächerlich, auf dem Land ist es noch wichtig. Aber wenn Söder immer wieder erklären muss, dass es kein Kreuz der Abgrenzung ist, sondern der Umarmung, dann ist das für die CSU irgendwann kontraproduktiv. Dann verpufft der Effekt.

Markus Söder sagt angeblich, er wolle nicht mit der FDP koalieren. Wäre die FDP in Bayern bereit zu einem Bündnis?

Kubicki: Wenn ich Markus Söder wäre, würde ich das auch sagen. Aber darüber entscheiden die Wähler. Und wenn es am Wahlabend für eine Mehrheit von CSU und FDP reicht, dann wären wir die Ersten, bei denen er anruft. Warum? Weil er sicher nicht sagen wird, ich will lieber mit den Sozis oder den Grünen zusammenarbeiten. Aber dann werden meine bayerischen Freunde sicher keine Mehrheitsbeschaffer sein, sondern dafür sorgen, dass den Ankündigungen – zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung – Taten folgen. Ich komme aus einem Bundesland, das mal zum Armenhaus Deutschlands gehört hat. Aber wir werden es schaffen, es gut auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Bis 2025 werden wir es zu fast 100 Prozent mit Glasfaseranschlüssen versorgt haben.

Das wird in Bayern sicher nicht der Fall sein.

Kubicki: Das liegt auch daran, dass Markus Söder Bayern für den Nabel der Welt hält – und sich selbst für den König des Nabels der Welt. Wir haben mal gestritten, warum in Bayern Windräder gebaut werden, obwohl die Kosten der Stromproduktion hier höher sind als an der Küste. Die Antwort war: Weil die Wertschöpfung dann bei uns passiert. Das Problem solchen kleinstaatlichen Denkens ist, dass es immer zu Wohlstandsverlusten führt.

Das komplette Interview lesen Sie in der Wochenend-Ausgabe der Nürnberger Nachrichten.

 

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