Östliche EU-Länder sind gegen Merkels Flüchtlingspolitik

15.2.2016, 15:00 Uhr
Östliche EU-Länder sind gegen Merkels Flüchtlingspolitik

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VPolen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei suchen zur Abschottung der Flüchtlingsroute über den Balkan den Schulterschluss mit dem Nicht-EU-Mitglied Mazedonien. Mit einem Treffen in Prag untermauerten die vier Länder am Montag zugleich ihren Widerstand gegen den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die vier Länder der sogenannten Visegrad-Gruppe davor, in der Flüchtlingskrise zu einem "Verein der Abtrünnigen" zu werden.

Falls Griechenland und die Türkei den Zustrom nicht begrenzen könnten, bestehe die Möglichkeit, "die illegale Wirtschaftsmigration an den Grenzen von Mazedonien und Bulgarien aufzuhalten", sagte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka vor dem Treffen in Prag. Griechenland, wo seit dem Sommer Hunderttausende Flüchtlinge angelandet sind, ist nicht beteiligt. Athen befürchtet nun, dass Mazedonien seine Grenze bald schließen könnte, so dass die meisten Flüchtlinge in Griechenland bleiben würden.

Luxemburgs Außenminister Asselborn wies am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel darauf hin, dass die Visegrad-Länder in der Vergangenheit selbst viel Solidarität erfahren hätten. Sollten sie sich nun in der Flüchtlingskrise abschotten, werde es in Brüssel sehr schnell eine Debatte darüber geben, dass alle, die Solidarität erfahren, auch Solidarität zurückgeben müssten. Deutschland ist der größte Nettozahler in der EU. Länder wie Polen und Ungarn gehören hingegen zu den größten Nettoempfängern von EU-Geldern.

Die Länder der vor 25 Jahren gegründeten Visagrad-Gruppe wehren sich gegen Umverteilungspläne und lehnen es wie auch andere EU-Staaten ab, Flüchtlinge in nennenswerter Zahl aufzunehmen. Kanzlerin Merkel will erreichen, dass zumindest mittelfristig ein Teil der in der Türkei ankommenden Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien auf EU-Staaten verteilt wird.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Brüssel, Griechenland über eine Abschottung der Balkanroute ins Abseits zu stellen, werde nicht funktionieren. "Wir können nicht formell oder informell die Grenzen der Europäischen Union neu ziehen. Griechenland ist ein Mitgliedstaat."

Frankreich will 30.000 Flüchtlinge aufnehmen

Dem Eindruck eines deutsch-französischen Konflikts in der Flüchtlingsfrage trat am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert entgegen. Premierminister Manuel Valls hatte am Wochenende betont, Frankreich habe versprochen, 30.000 dieser 160.000 Flüchtlinge aufzunehmen, keinesfalls aber mehr. Dazu sagte Seibert: "Es herrscht große Übereinstimmung zwischen Frankreich und Deutschland." Er begrüßte, dass Frankreich damit zu seinen Verpflichtungen stehe.

Die EU sagte Mazedonien am Montag zehn Millionen Euro zu. Die Unterstützung solle nicht zum Bau eines Zaunes beitragen, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Es gehe darum, Grenzen zu kontrollieren, nicht, sie zu schließen.

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) setzt ungeachtet skeptischer Signale mehrerer Partnerländer auf einen Durchbruch für ein europäisches Vorgehen beim EU-Gipfel. "Ich glaube, dass es wichtige Bausteine am Donnerstag geben wird", sagte er am Montag in Berlin. Wesentliche Punkte würden zwischen Kanzlerin Merkel und der Kommission "exakt abgestimmt". Wichtigste anstehende Schritte seien Geld zur Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft und eine EU-Grenzschutzpolizei, die den Namen verdiene.

Autorität der Kanzlerin angekratzt?

Bundeskanzlerin Merkel muss nach Ansicht von FDP-Chef Christian Lindner die Vertrauensfrage stellen, sollte sie beim EU-Gipfel mit ihrer umstrittenen Haltung keine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage herbeiführen können. Die Autorität der Kanzlerin sei "schwer angekratzt", sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur.

In München beriet auch der CSU-Vorstand am Montagvormittag über die Flüchtlingskrise. Vor dem EU-Gipfel will Parteichef Horst Seehofer die Position abstecken. Die CSU fordert eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen mit Hilfe einer nationalen Obergrenze.

In Griechenland wurde am Sonntag das zweite von fünf geplanten Registrierzentren für Flüchtlinge fertig: Der Hotspot befindet sich auf der Insel Chios in der Nähe des Flughafens in einer ehemaligen Fabrik. Er hat eine Aufnahmekapazität von knapp 1100 Menschen. Auf der Touristeninsel Kos gab es gewaltsame Proteste gegen den Bau eines Registrierzentrums.

Dieser Artikel wurde am 15. Februar um 15:00 Uhr aktualisiert.

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