Metzgerei Kallert setzt auf regionale Qualität

27.12.2016, 06:00 Uhr
Senior Walter Kallert beginnt morgens mit der Produktion in der Metzgerei.

© Hubert Bösl Senior Walter Kallert beginnt morgens mit der Produktion in der Metzgerei.

Ohne große Pausen rattert der Kutter und heult zwischendurch auf. Die Geräuschkulisse in der großen Wurstküche der Kallerts steht in krassem Gegensatz zur frühmorgendlichen Stille an diesem Donnerstag um halb Fünf. Puschendorf liegt noch weitgehend im Schlaf, wenn das Team um Metzgermeister Roland Kallert (45) und die beiden Gesellen André Lieret und Timo Scheller schon seit einer guten Stunde eifrig beim Wursten ist. Bruder Walter Kallert (46) wuselt bereits zwischen Verkaufs- und Kühlräumen umher. Nur Senior Walter Kallert (72) darf "a bissla länger schlafen".

Routine ist Trumpf in der hell gekachelten, sauberen Arbeitshalle; jeder Handgriff muss sitzen, die Arbeitsabläufe gehen Hand in Hand in dem 2010 komplett renovierten Schlacht- und Verarbeitunghaus an der Hauptstraße in Puschendorf im Landkreis Fürth. 25.000 Euro haben die Investitionen für die EU-Zulassung verschlungen. Eine Metzgerei als Familienbetrieb, das bedeutet heutzutage zwar auch Tradition, aber ohne hochmoderne Produktionsmethoden und Verkaufsräume könnte das Geschäft nicht am Leben erhalten werden.

Erfolg setzt dabei Handwerkskunst, Einfallsreichtum und - wichtigstes Kriterium - einen hohen Qualitätsstandard voraus. 90 Prozent der Wurstwaren, die im Kühlraum und in der Verkaufstheke landen, sind bei den Brüdern Kallert selbstgemacht.

1200 Kilo Schweinefleisch pro Woche

Als erstes ist am Donnerstag fürs Wochenend-Geschäft "weiße Ware" an der Reihe: zunächst Gelbwurst, dann Weißwürste und weiße Stadtwurst. Das Grundbrät, das sich schon im Kutter dreht, ist immer gleich und besteht aus 50 Prozent gewolftem Schweinefleisch, Salz, Eis und 25 Prozent Speck und nochmals Eis. Gewürze? Zwiebeln, Macis (der Samenmantel der Muskatnuss), Petersilie. Natur- oder Kunstdarm? "Das ist Geschmackssache", sagt Roland Kallert und lacht unter der weißen Schirmmütze.

Die Einlage für die weiße Stadtwurst - grob gewolfter Schweinebauch, Gewürze, schließlich reichlich Majoran - wartet schon in einer der vielen für die unterschiedlichen Wurstsorten vorbereiteten Wannen. Die Komponenten müssen sich ordentlich verbinden, damit die Masse "grieslerd werd", wie es auf gut Fränkisch heißt.

Geselle André Lieret lässt die Wurstmasse aus der Füllmaschine in die penibel geputzten Därme und drückt Weißwürste ab. Mit dem rechten Knie bedient er einen Steuerungshebel, der den Zulauf öffnet oder stoppt. Derweil vermengt Roland Kallert mit kräftigen Armkreiseln das Grundbrät und die Schinkeneinlage für den Bierschinken (Achtung: gewürfelte Zitronenschale gibt den besonderen Kick). Beim Werfen der Masse in die Wurstmaschine geht kein Klecks daneben; wie ein Bäcker seinen Teig kneten und heben die Metzger das Brät.

Ein Schlachtgewicht von 1200 Kilo Schweinefleisch wird bei Kallerts pro Woche verarbeitet, die Hälfte davon kommt in die Wurst. Auf die Sauberkeit in der Wurstküche legt Roland Kallert großen Wert. "Na ja", meint Senior Walter, "am Montag, wenn die Preßsäcke und so gemacht werden, schaut’s schon a bissla anders aus."

Metzger schlachten Schweine selbst

Die Kallerts schlachten ihre Schweine montags selbst. Am Samstag kommen die Tiere, zehn bis zwölf jede Woche, geliefert vom Bauern Erwin Hopf aus Aurachtal-Nankenhof. Er mästet die Tiere langsamer und sechs bis acht Wochen länger als gemeinhin üblich. Dadurch wird das Fleisch saftiger, marmorierter und geht später "in der Pfanne auf statt sich zusammenzuziehen wie das Schnitzel aus dem Supermarkt, weil das ganze Wasser wegläuft", sagt Junior Walter Kallert.

Der Landwirt hatte vor Jahren fest vorgehabt, die Mästerei aufzugeben. Doch die Brüder Kallert boten ihm ein faires Geschäft an: Sie garantierten ihm einen Festpreis, mit dem er gut kalkulieren konnte und der anfangs um 80 Prozent über dem damals absolut niedrigen Marktpreis lag. Beide Seiten profitieren: Der Mäster kann diesen Betriebszweig am Leben erhalten, die Metzger bekommen die Fleischqualität, die sie wollen.

Das Wochenende über stehen die Landschweine unbehelligt im alten Stall und werden Montag früh einzeln zum Schlachten geführt. Roland Kallert, der im Betrieb die Elektro-Betäubungszange führt, schüttelt den Kopf über den neuen Image-Schaden für die Branche, wenn er Berichte über stümperhaftes Betäuben in bayerischen Schlachthöfen liest.

90-Stunden-Woche ist keine Seltenheit

Die Bullen, Kühe und Kälber allerdings werden nicht hier, sondern im Regionalschlachthof in Fürth-Burgfarrnbach geschlachtet und dort als Viertel geholt. 430 Kilo bringt so ein Rind auf die Waage. "Man kann sagen, dass man letztlich jedes Tier sprichwörtlich kennt", so Roland Kallert. Kurze Transportwege, regionale Wertschöpfung, kontrollierte Herkunft, heißt das auf Neudeutsch.

Am Kutter ist Geflügelwurst an der Reihe, ein mageres Produkt für die schlanke Linie, nach dem immer mehr Stammkunden verlangen. Öl statt Speck ist die Hauptsache, die Zutaten variieren - Gemüse, Pilze, Paprika, die Masse füllt pausenlos die modernen TOP-Kunstdärme, die wie Konserven wirken.

Ohne beständige Weiterentwicklung kann eine kleine Metzgerei heute nicht überleben. "Wenn eine Generation die Modernisierung verschläft, kann die folgende das nicht mehr aufholen", sagt Walter junior, der den Betrieb mit seinem Bruder am 1. Januar 2000 übernommen hat. Mittlerweile tausend Kunden in der Woche - das bedeutet für die Kallerts freilich eine 90-Stunden-Woche.

Senior Walter und Marianne Kallert hatten das Geschäft 1969 eröffnet. Seit 1976 steht das eigene Schlachthaus, heute mit EU-Zulassung für Schweine. Heuer im Februar ist das Ladengeschäft grundlegend renoviert worden, das Reich von Verkaufschef Walter Kallert junior.

Sein ganzer Stolz: zwei kreisförmige, drehbare Umluft-Kühltheken, die einen Rundumblick auf Fleischwaren und Salate bieten und bundesweit einmalig seien, wirbt der Wendelsteiner Thekenbau-Spezialist Aichinger. Innovativ und hygienisch, das trifft auch auf den Zahl-Automaten zu, der garantiert, dass die Fachverkäuferinnen nicht mit Geld in Kontakt kommen.

Zwischen Fleischwolf, Kutter und Füllmaschine werden gegen 7 Uhr wieder Würste aus Schweinefleisch produziert: Jagdwurst mit Rind, Champignon-Schinkenwurst, Käse-Bierwurst, Sülzrolle, Krakauer und zwischendurch ein paar Putenwiener, die der Kindergarten bestellt hat. Die Göttinger braucht viel Rind-Magerfleisch, Eis, Speckwürfel und mageres Schwein als Einlage.

Im Wurstkessel schwimmen längst die bis auf 64 und 66 Grad gebrühten Stangen Gelb-, Weiß- und Stadtwürste. Zweieinhalb bis drei Stunden brauchen die Brühwürste. Die Gelbwürste bekommen erst am Schluss mit Pflanzenfarbe den tiefgelben Anstrich.

Mehr Fleisch, weniger Wurst

Senior Kallert und Geselle André haben die Hausmacher Stadtwurst fertig; pralle Ringe warten an der Stange aufs Räuchern. Im Koch-Reife-Räucherschrank sorgen Buchenholzspäne für die Energiezufuhr. "Früher ist weniger Fleisch, aber viel mehr Wurst gegessen worden", erinnert sich der 72-Jährige; für den Rückgang sorgen Schul- und Betriebskantinen, Single-Haushalte, neue Ernährungsgewohnheiten. Man muss sich umstellen.

Für Kenner und Feinschmecker hat die Metzgerei "Dry Aged Rind- und Schweinefleisch" im Angebot, beispielsweise Rind, mit Talg eingestrichen, das in einem extra Kühlraum mindestens sechs Wochen am Knochen reift, in kontrollierter Atmosphäre, mit Be- und Entfeuchtung und Temperatur-Überwachung.

Da kostet ein Steak schon zwischen 25 und 45 Euro. Aber Billiganbieter und Supermärkte sind für die Kallerts nicht die Konkurrenz. Für Traditionsbetriebe gehört es sich ihrer Philosophie zufolge, dass kurze Transportwege der Tiere, kontrollierte Herkunft und regionale Wertschöpfungskette garantiert sind; da wird die Ware nicht vor Ladenöffnung schon aufgeschnitten und liegt in hohen Türmen und mit Hautresten vor sich hin; da wird auch keine Filiale im Feinkostgeschäft eröffnet - "das ist nicht unsere Welt", sagen die Gebrüder Kallert.

Roland verfolgt den Prozess im Ofen, wo ein Putenoberkeulen-Schinken brutzelt. "Ein Tier ist ein Lebewesen. Es ist Luxus, dass wir es essen. Man muss das auch so behandeln."

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