Migrationspolitik auf dem Prüfstand

4.2.2010, 00:00 Uhr
Migrationspolitik auf dem Prüfstand

© privat

Der in Nürnberg beheimatete Geschichts-Professor und Berliner Migrationforscher begrüßt auch das auf den Weg gebrachte «Anerkennungsgesetz« für im Ausland erworbene Qualifikationen. Dieses Gesetz sei sehr wichtig, aber - und auch hier fehlt die Einschränkung nicht - es hätte schon viele Jahre früher kommen müssen. Viele Zuwanderer seien nach langer Arbeitslosigkeit oder Arbeit in «rangniedrigen Ersatzkarrieren« schon in Rente oder doch entmutigt und desorientiert.

«Das waren unnötige Verluste an Lebensqualität für unsere Zuwanderer und an Humankapital für unsere Volkswirtschaft», rügte Bade. Der SVR begrüßt zwar, dass im Gesetzentwurf auch Angebote für Beratung, Anpassungs- und Ergänzungsqualifizierungen vorgesehen sind. Das werde vielen Neuzuwanderer helfen. Unklar bleibt aber, so Bade, wie man die schon lange im Land lebenden Zuwanderer noch erreichen wolle, denn: «Hochqualifizierte Zuwanderer mit nicht anerkannten Qualifikationen laufen in der Erwerbsstatistik als Unqualifizierte und sind deswegen nicht mehr ohne weiteres zu finden.»

"Politische Verdrängung"

Einen Seitenhieb auf die vom SVR schon vor einem Jahr scharf gerügte «politische Verdrängung der Abwanderung von Hochqualifizierten aus Deutschland» konnte sich Bade nicht verkneifen: Heute erscheine die Anerkennung auswärtiger Qualifikationen «plötzlich politisch so belangvoll, weil wir qualifizierte Arbeitskräfte brauchen und nach Ersatz für die Abwanderung qualifizierter Deutscher suchen».

Deswegen wolle sich die Bundesregierung auch besonders um berufliche Eingliederungshilfen für zugewanderte Ärzte kümmern, von denen viele lange nicht anerkannt worden seien.
«Warum», so fragte der SVR-Vorsitzende, kümmere man sich im Gegenzug nicht ebenso um die Motive, die jährlich Tausende von hier ausgebildeten Ärzten veranlassen, Deutschland den Rücken zu kehren? «Das Wandern ist nicht des Arztes Lust. Wenn wir die Arbeitsbedingungen unserer Ärzte ändern, sparen wir Ausbildungskosten und brauchen weniger Ersatz von außen.»

«Lieber Notbremse ziehen«

Eindeutig negativ beurteilt der SVR die sogenannte Optionsregelung, nach der sich hier geborene Kinder von Migranten spätestens bis zu ihrem 23. Geburtstag zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. Statt die Wirkung der Regelung jetzt zu testen, wie es Berlin beabsichtigt, hätte man nach Bades Worten die «Notbremse ziehen« müssen.

Scharfe Kritik des SVR handelt sich Schwarz-Gelb für das Betreuungsgeld von 150 Euro für Eltern ein, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, sondern zu Hause betreuen. Für Bade wirkt das «wie ein ungewollter Blattschuss für die frühkindliche Integrationsförderung«. Kindern aus bildungsfernen und sozial schwachen Familien werde der «frühe Einstieg in den Aufstieg durch Bildung« verbaut. Den könnten hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen ermöglichen, die überdies auch den Kontakt zu anderen und den spielerischen Spracherwerb ermöglichten.

Als Alternative schlägt Bade Sprachstandstests für Kinder im Alter von etwa vier Jahren vor. Wenn sie im Spracherwerb erhebliche Rückstände zeigten und ihre Eltern selbst nicht richtig Deutsch könnten, sollte man die Eltern «sehr nachdrücklich auffordern, ihr Kind in eine Kita zu schicken«.

Mehr Ab- als Zuwanderung

In Berlin hat die Bundesregierung ihren Migrationsbericht vorgelegt. Die Einwanderung verharrt demnach auf niedrigem Niveau. Im Jahr 2008 kamen gut 682000 Menschen nach Deutschland. Noch in der ersten Hälfte der 90er Jahre waren jährlich mehr als eine Million Zuwanderer registriert worden. Gleichzeitig gab es 2008 fast 738000 Fortzüge aus Deutschland - so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr.