Mindestens 24 Tote bei Taliban-Angriff auf Hotel

21.1.2018, 18:17 Uhr
Afghanische Sicherheitskräfte stehen am 21.01.2018 in Kabul unweit des Intercontinental Hotels, aus dem Rauch aufsteigt. Dort hatten am Samstagabend Kämpfer einer Taliban-Gruppierung mehrere Dutzend Menschen getötet.

© Rahmat Gul/dpa Afghanische Sicherheitskräfte stehen am 21.01.2018 in Kabul unweit des Intercontinental Hotels, aus dem Rauch aufsteigt. Dort hatten am Samstagabend Kämpfer einer Taliban-Gruppierung mehrere Dutzend Menschen getötet.

Bei einem mehr als 17 Stunden dauernden Taliban-Angriff auf eines der größten Hotels in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind nach offiziellen Angaben 24 Menschen getötet worden. Unter ihnen sind laut Innenministerium 18 Zivilisten, 14 Ausländer und vier Afghanen. Außerdem wurden nach Behördenangaben alle sechs Angreifer getötet. Zehn Menschen - allesamt Afghanen - seien verletzt worden. Die internationale Staatengemeinschaft verurteilte den Angriff scharf.

Es war zunächst unklar, ob die Liste der Opfer noch länger wird. Der Sender Tolo TV meldete etwa unter Berufung auf eine "verlässliche Quelle", es seien etwa 43 Menschen ums Leben gekommen. Regierungssprecher sind dafür bekannt, Opferzahlen für die Öffentlichkeit klein zu halten.

Mehr Tote als befürchtet

Die Angreifer waren am Samstagabend nach 21 Uhr (Ortszeit) durch die Küche in das Hotel eingedrungen. Der Augenzeuge Mumtas Ahmed, Teilnehmer einer IT-Konferenz im Hotel, erzählte der Deutschen Presse-Agentur, dass er drei bewaffnete Männer durch das Erdgeschoss laufen sah. Die Attentäter seien von Tür zu Tür gerannt und hätten gezielt nach Regierungsbeamten und Ausländern gesucht. Dann hätten sie in die Zimmer geschossen. Die Zahl der Opfer sei "viel höher" als offiziell von der Regierung angegeben, sagte Ahmed.

Die afghanische Regierung identifizierte bis zum Abend ein ausländisches Todesopfer als Kirgisen, einen als Griechen und neun als Ukrainer. Das ukrainische Außenministerium bestätigte am Sonntag aber nur ein ukrainisches Opfer. Drei weitere ausländische Todesopfer habe man noch nicht identifizieren können.

Generalkonsul unter den Opfern

Viele der ausländischen Opfer arbeiteten offenbar für eine große afghanische Fluglinie, Kam Air, die das Hotel als Basis für ihre Piloten und Kabinencrews genutzt hatte. Auch der afghanische Generalkonsul in der pakistanischen Großstadt Karachi wurde als Opfer identifiziert. Die Nachrichtenagentur Pajhwok berichtete vom Tod eines Mitglieds des Hohen Friedensrates. Der Rat soll mit den Taliban Friedensverhandlungen führen.

Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums zogen sich die Kämpfe zwischen dem hinzugezogenen Sicherheitspersonals und den Terroristen bis Sonntagmittag hin. Viele Gäste befanden sich zu dieser Zeit noch im Hotel.

Nach Angaben des afghanischen Innenministeriums zogen sich die Kämpfe zwischen dem hinzugezogenen Sicherheitspersonals und den Terroristen bis Sonntagmittag hin. Viele Gäste befanden sich zu dieser Zeit noch im Hotel. © Wakil Kohsar/afp

Behörden bestätigten, dass im Hotel zum Zeitpunkt des Angriffs eine Hochzeitsfeier im Gang gewesen sei. Außerdem waren mehr als 100 Menschen für eine Konferenz afghanischer Computerexperten angereist. Insgesamt hätten die Spezialkräfte in der Nacht und am Morgen 153 Menschen aus dem Hotel gerettet, unter ihnen 41 Ausländer, sagte ein Behördensprecher.

Die ganze Nacht wurde gekämpft

Der Sender Tolo TV schilderte die Geschichte von Hassib, 20, der als Kellner in einem der Hotelrestaurants arbeitete. Zwei der Angreifer seien zunächst wie normale Gäste in das Restaurant gekommen und hätten um Essen gebeten. „Sie trugen sehr schicke Kleidung“, sagte Hassib. "Sie setzten sich, und ich habe ihnen Essen serviert. Dann haben sie Waffen gezogen und angefangen, auf die Leute zu schießen."

Bis zum Sonntagmittag lieferten sich die Islamisten Gefechte mit Sicherheitskräften - zuletzt in der obersten Etage des fünfstöckigen Hauses. Aufnahmen des Senders zeigten dramatische Szenen von Hotelgästen, die am Morgen offenbar dort noch gefangen waren und versuchten, über Balkone zu entkommen. Ein Mensch hing mit einer Hand am Geländer außen an der Fassade. Ein anderer versuchte sich mithilfe von Bettlaken auf einen Balkon eines unteren Stockwerks abzuseilen, als er den Halt verlor und fiel.

Afghanistan kommt nicht zur Ruhe

Die Taliban bekannten sich per Email zu der Tat und sagten, fünf ihrer "heiligen Krieger" hätten das Hotel überfallen und Dutzende ausländische und afghanische Feinde getötet. Die Sicherheitslage in der afghanischen Hauptstadt hat sich seit Ende der Nato-Kampfmission im Dezember 2014 stark verschlechtert. 2017 gab es dort mehr als 20 schwere Anschläge der Taliban und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit mehr als 500 Toten.

Bei dem ersten Anschlag im neuen Jahr auf einen Sicherheitsposten waren Anfang Januar mindestens 20 Menschen getötet und 30 verletzt worden. Die Bundesregierung, die US-Regierung und die Vereinten Nationen verurteilten den Angriff scharf. Gleichzeitig verübten die Taliban in mehreren Provinzen - unter anderem in Balch und Farah - weitere Angriffe, bei denen wieder Dutzende Menschen starben. Gleichzeitig sieht die Bundesregierung Afghanisten nach eigenen Aussagen als sicheres Herkunftsland an, um Migranten leichter dorthin abschieben zu können.

Dieser Artikel wurde um 18.14 Uhr aktualisiert.

Keine Kommentare