Neue Uni für Nürnberg: Ende einer langen Leidenszeit?

27.7.2017, 05:38 Uhr
Neue Uni für Nürnberg: Ende einer langen Leidenszeit?

© Foto: Günter Distler

Unter allen deutschen Großstädten über 500.000 Einwohnern gibt es nur eine einzige ohne eigenständige Universität: Nürnberg. Da ist es an der Zeit, werden nicht wenige Lokalpatrioten argumentieren, wenn der Noris endlich Gerechtigkeit widerfährt. Frei nach dem Motto: Studenten her - alles gut.

Ganz so ist es dann aber doch nicht: Denn Studenten gibt es in Nürnberg seit langem. Wahlweise sind sie an der Technischen Hochschule (13.000), der WiSo (6000), der Evangelischen Hochschule (1200) oder der Hochschule für Musik (400) eingeschrieben. Dazu kommen noch die angehenden Lehrerinnen und Lehrer, die zumindest teilweise an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät an der Regensburger Straße studieren, und die an der privaten FOM Hochschule eingeschriebenen Berufstätigen. Dazu kommt die private Medizinerausbildung am Klinikum, und, und und...

"Einmalige Chance"

Gut 20.000 Studenten beherbergt die Stadt also bereits, bis zu 6000 weitere sollen auf dem geplanten neuen Campus dazukommen. Die schiere Menge allein kann die Faszination, die eine eigenständige Universität vor allem auf Politiker ausübt, also nicht ausmachen.

Markus Söder, CSU-Bezirkschef und, so spotten seine Kritiker, eine Art Neben-Oberbürgermeister, gerät gar ins Schwärmen: "Durch die Gründung einer eigenständigen Universität in Nürnberg wird eine historische Ungerechtigkeit beseitigt. Nürnberg als zweitgrößte Stadt Bayerns hatte bisher keine eigene Universität. Unsere Stadt hat es verdient. Wir haben nun die einmalige Chance, Stadtgeschichte neu zu schreiben: weg von einer ursprünglichen Arbeiterstadt und hin zu einer Stadt mit hochwertigen Technologien und Studenten."

Hochwertige Technologien verspricht sich der Finanzminister (und wohl heimliche Ideengeber der Uni Nürnberg) also. Eine Aussage, die an der Technischen Hochschule (TH) keine Begeisterung auslöst. Doch die TH , das schwingt unterschwellig bei den Fans einer Nürnberg-Uni mit, ist halt nur eine Hochschule für angewandte Wissenschaften, quasi eine Uni zweiter Klasse. Das würde Oberbürgermeister Ulrich Maly niemals sagen, doch auch bei ihm schwingt eine Portion Stolz mit, wenn er in die universitäre Zukunft blickt: "Das ist natürlich schön für Nürnberg."

Warum? Maly weist auf die Besonderheit des Milliarden-Projekts hin: "Es handelt sich um die erste Neuerrichtung einer Uni in Nürnberg, die der Freistaat vornimmt." München, das ist die verdeckte Botschaft, die Söder und Maly wohl beide unterschreiben könnten, hat endlich erkannt, wie stiefmütterlich die Frankenmetropole über Jahrzehnte hinweg behandelt worden ist.

Maly ist sich durchaus bewusst, dass für den nun skizzierten Weg viele Steine aus dem Weg geräumt werden müssen. Die größten Brocken liegen wohl in Erlangen. Die dortige Friedrich-Alexander-Universität (FAU) trägt Nürnberg vielleicht nicht im Herzen, aber im Namen: FAU Erlangen-Nürnberg. "Es kommt nun darauf an, die Dinge so zu gestalten, dass die Neugründung von der FAU und der TH nicht als Generalangriff verstanden werden", weist Maly auf die konzeptionelle Herausforderung hin.

Heikle Aufgabe

Tatsächlich steht der Präsident der Technischen Universität München, Prof. Wolfgang Herrmann, vor einer heiklen Aufgabe: Er ist mit den Vorarbeiten für die Uni Nürnberg betraut und muss binnen eines Jahres einen Fahrplan entwerfen, der den an den umliegenden Hochschulen unüberhörbaren Unmut in ruhigere Bahnen lenkt. Wer derzeit mit Beschäftigten der FAU spricht, dem schlägt hinter vorgehaltener Hand blankes Entsetzen und völliges Unverständnis entgegen.

Dass viele Einheimische "ihrer" Uni voller Vorfreude entgegenblicken, liegt auch an dem gefühlten Minderwertigkeitskomplex, den Nürnberg mit sich herumschleppt: Wer die Stadtgrenze nach Fürth passiert, liest auf den Ortsschildern den Zusatz "Wissenschaftsstadt", wer in Erlangen ist, kommt an der Uni ohnehin nicht vorbei.

An Nürnberg, das war schon zu Zeiten so, als die Akademie und spätere Uni 1575 im benachbarten Kleinstädtchen Altdorf gegründet worden war, fuhr der Hochschulzug dagegen jahrhundertelang vorbei. Die Uni Nürnberg ist deshalb für viele langersehnter Balsam auf die städtische Seele.

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