Nicht mal jeder zweite Nürnberger Türke hat gewählt

23.6.2018, 05:53 Uhr
Nicht mal jeder zweite Nürnberger Türke hat gewählt

© Foto: Oliver Berg/dpa

An Prognosen, welches Ergebnis zu erwarten ist, mangelt es nicht: Seit im April der vorgezogene Wahltermin bekanntgegeben wurde, haben Meinungsforschungsinstitute die türkische Öffentlichkeit geradezu bombardiert mit täglich neuen Umfrageergebnissen. Von einem bequemen Sieg Erdogans und seiner AKP bis zu einem knappen Überraschungserfolg der Opposition sind dabei zwar fast alle erdenklichen Resultate vertreten. Doch die meisten rechnen mit einem Kopf- an-Kopf-Rennen bei der Parlamentswahl und einem Präsidentschaftsrennen, das wahrscheinlich in die zweite Runde geht.

Umfragen sind Mangelware

Obwohl viele glauben, dass im Falle eines derart knappen Wahlausgangs die Stimmen der Auslandstürken ausschlaggebend sein könnten, gibt es zu deren Wahlverhalten fast keine Erhebungen. Selbst zu den 1.443.585 Menschen in Deutschland, immerhin fast die Hälfte der insgesamt 3.047.096 wahlberechtigten Türken weltweit, liegt bislang lediglich eine einzige aktuelle Umfrage vor, die die Istanbuler Europäisch-Türkische Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung Tavak unter Deutschtürken Anfang Juni durchgeführt hat.

Die Ergebnisse der Erhebung sind auf den ersten Blick wenig überraschend: Demnach läge Präsident Erdogan mit 48,2 Prozent zwar deutlich vor seinem sozialdemokratischen Herausforderer Muharrem Ince, der es auf 28,7 bringen soll. Er müsste mit Ince allerdings in die Stichwahl. Noch schlechter sähe es laut der Umfrage für Erdogans Partei AKP aus: Mit 47,1 Prozent der Stimmen verfehlt die Volksallianz, die sie mit der rechtsnationalen MHP eingegangen ist, bei der Wahl die absolute Mehrheit.

Dass das Umfrageergebnis in weiten Teilen das widerspiegelt, was Meinungsforscher innerhalb der Türkei ermittelt haben, verwundert: Bei der Parlamentswahl 2015, die die AKP mit 49,5 Prozent der Stimmen gewann, schnitt sie in Deutschland mit 59,7 Prozent deutlich besser ab. Beim Verfassungsreferendum im April 2017 war es ähnlich: Während in der Türkei nur eine hauchdünne Mehrheit von 51,4 Prozent "Ja" sagten, waren es in Deutschland satte 63,1 Prozent.

Warten auf Sonntagabend

Ob die Umfrage stimmt und der Anteil der Erdogan-Anhänger unter den deutschtürkischen Wählern sich tatsächlich jenem am Bosporus annähert, muss sich am Sonntagabend zeigen. Die Wahlbeteiligung in Almanya kann sich dagegen schon heute sehen lassen: Sorgten 2015 noch rund 575.000 Wähler für eine Beteiligung von 40,8 Prozent, zählten die 13 deutschen Wahllokale heuer 660.183 Stimmzettelumschläge. Zusammen mit 57.809 Deutschtürken, die ihre Stimme an türkischen Flughäfen oder Grenzübergängen abgaben, nahmen insgesamt 717.992 Menschen an der Wahl teil, das entspricht 49,7 Prozent der Berechtigten.

Während deutschlandweit also fast jeder Zweite an die Urne ging, fiel die Wahlbeteiligung regional unterschiedlich aus: Relativ nahe beim bundesweiten Mittelwert liegen Frankfurt (47,5), München (48,5), Mainz (50,4) und Hamburg (51,8). Überdurchschnittlich hohe Wahlbeteiligungen erreichten dagegen Stuttgart (55,3), Düsseldorf (55,7), und Köln (56,3), die nur noch von Essen (67,4) übertroffen wurde. Nürnberg dagegen, wo eine Beteiligung von 44,9 Prozent verzeichnet wurde, müsste sich mit Hannover (44,8), Karlsruhe (44,6) und Berlin (44,2) die rote Laterne teilen – wenn es da nicht auch noch den krassen Ausreißer Münster (29,1) gäbe.

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