NSU: Wertete Verfassungsschutz Handys von V-Mann nicht aus?

22.6.2016, 10:30 Uhr
NSU: Wertete Verfassungsschutz Handys von V-Mann nicht aus?

© Maja Hitij/dpa

Damit stellt sich die Frage möglicherweise neu, ob Corelli doch Verbindungen zum NSU-Trio gehabt haben könnte. Corelli alias Thomas Richter war über fast zwei Jahrzehnte einer der Top-Spitzel des Verfassungsschutzes in der rechtsextremistischen Szene, bis er 2012 enttarnt wurde. Zwei Jahre später war er an einer unerkannten Diabetes-Erkrankung im Alter von 38 Jahren verstorben. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich in einem Zeugenschutzprogramm, ausgestattet mit einer neuen Identität. 

Die Umstände seines Todes und die Frage, ob er Verbindungen zum NSU gehabt hat, waren von einem Sonderermittler des Bundestages untersucht worden, dem ehemaligen Grünen Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag. Montag hatte seinerzeit keinen Hinweis auf Verbindungen zwischen
Corelli und dem NSU-Trio gefunden, nachdem Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den Untergrund gegangen waren. 

Seinen Bericht hatte er vor einem Jahr vorgelegt.  Mittlerweile ist jedoch klar, dass Montag nicht Zugang zu allen Informationen hatte: Ende Mai waren im Bundesamt für Verfassungsschutz ein Handy und fünf SIM-Karten aufgetaucht, die Corelli benutzt hatte – allerdings erst nach seiner Enttarnung und als es das NSU-Trio bereits nicht mehr gab. Sie werden zur Zeit beim Bundeskriminalamt ausgewertet. 

Der Bundestag hatte daraufhin seinen Sonderermittler Montag wieder eingesetzt. Auch das Bundesinnenministerium hatte einen eigenen Ermittler zum Bundesamt für Verfassungsschutz geschickt. Die Untersuchungen laufen noch und sie erhalten aufgrund der neuesten Erkenntnisse zusätzliche Brisanz. Die Handys, um die es nun geht, und auf denen sich offenbar noch Daten befinden, die nicht ausgewertet worden sind, wurden von Corelli in dem Zeitraum genutzt, als das NSU-Trio bereits im Untergrund war.

Corelli wurde 2014 tot aufgefunden

Der langjährige Informant des Bundesverfassungsschutzes war im April 2014 tot aufgefunden worden. Mehreren Gutachten zufolge erlag er einem diabetischen Schock.  Der Mediziner Werner Scherbaum hatte allerdings kürzlich im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags – abweichend von seinem Gutachten zuvor – erklärt, es gebe drei Wirkstoffe, die "theoretisch" den "festgestellten Insulinmangeldiabetes" hervorrufen könnten.

Laut Staatsanwaltschaft geht Scherbaum trotzdem weiter davon aus, "dass es keine Anhaltspunkte für eine Fremdbeibringung von Stoffen gibt". Das entspreche dem übrigen Ergebnis der Ermittlungen. 

Geprüft werden soll nun, durch welche Institute und in welcher Weise der Nachweis der Wirkstoffe möglich ist. Dazu hatte Experte Jerzy Montag – vom Bundestagskontrollgremium als "Corelli"-Sonderermittler eingesetzt – schon vor Tagen im Ausschuss gesagt, zwei der Wirkstoffe müsse man spritzen. Bei
Corelli seien aber keine Einstiche gefunden worden. Die dritte Substanz sei seit 1979 vom Markt genommen.

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