Nürnberger Austauschschüler über Waffenproteste in den USA

22.5.2018, 05:57 Uhr
Nürnberger Austauschschüler über Waffenproteste in den USA

© Scott Olson/Getty Images/afp

Amerikanische Gastgeber schätzen es nicht, wenn in ihrem Haus allzu forsch politische Debatten vom Zaun gebrochen werden. Und ganz besonders wenig Lust haben sie darauf, gegenüber europäischen Gästen die politischen Verhältnisse ihres Landes rechtfertigen zu müssen. Die 17-jährige Nürnbergerin Paula Mattes, die seit acht Monaten als Austauschschülerin im US-Bundesstaat Maryland lebt, hat das schnell kapiert und akzeptiert. "In meiner Gastfamilie wird nicht viel über Politik geredet."

Das durchzuhalten, war allerdings schon zu Jahresbeginn gar nicht so leicht. Denn an der Govenor Thomas Johnson High School in der etwa eine Autostunde nördlich von Washington DC gelegenen 70.000-Einwohner-Stadt Frederick wurde zuletzt sehr viel über Politik gesprochen. Großes Thema wie im ganzen Land: die liberalen amerikanischen Waffengesetze. Als nach der Schulschießerei in Parkland, Florida, bei der Mitte Februar 17 Menschen starben, US-weit Schülerinnen und Schüler aus Protest auf die Straße gingen, gab es auch an der High School in Frederick eine Kundgebung.

Und das wird es nach Einschätzung von Paula Mattes nicht gewesen sein. "Ich glaube, dass es meiner Generation hier in Amerika endgültig reicht." Die junge Nürnbergerin, die über das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP), das der Amerikanische Kongress und der Deutsche Bundestag seit 35 Jahren unterhalten, für ein Jahr in die USA kam, ist überzeugt, dass aus dem mehr oder weniger spontanen Protest der US-Jugendlichen eine anhaltende Bewegung wachsen wird. "Die Jugendlichen wissen, dass es ein längerer Kampf sein wird." Die Schüsse von Santa Fe liefern ihnen jetzt neue Argumente – nicht zum ersten Mal seit Parkland.

Sicherheit im Schulalltag

Denn, so traurig es ist: Von der Wirklichkeit werden die amerikanischen Jugendlichen regelmäßig an ihr Anliegen erinnert. Schon einen Monat nach dem Blutbad von Florida kam es auch in Maryland an der Great Mills High School in St. Mary’s County zu einer Schießerei mit zwei Schwerverletzten. Aus US-amerikanischer Sicht eher eine Lappalie. "Bei uns hier", erzählt Paula Mattes, "kam das noch nicht mal in den Nachrichten. Meine Mutter hat mich darüber informiert."

Das Thema Sicherheit prägt das Schulleben in den Staaten. "Wir dürfen in den Pausen nicht aus dem Schulhaus raus", berichtet Paula Mattes. "In Deutschland durfte ich seit der zehnten Klasse während der Pause das Schulgelände verlassen, um was einkaufen zu gehen. Und keiner hatte dabei Angst, erschossen zu werden."

Mit ihren Lehrern haben die Schüler viel diskutiert, wie für mehr Sicherheit gesorgt werden könnte. Der Vorschlag von Präsident Donald Trump, Lehrer zu bewaffnen, stieß bei den Pädagogen auf wenig Begeisterung. "Nur eine Englischlehrerin konnte sich vorstellen, einen Täter zu erschießen, wenn er Menschen getötet hat. Schon vorher auf einen Angreifer zu schießen, konnte sich überhaupt niemand vorstellen."

Ungewohnte Diskussionen

Für deutsche Schüler sind das ungewohnte Diskussionen. Mit ihren Freundinnen und Freunden an der High School spricht Paula Mattes auch immer wieder über die deutlich restriktiveren Waffengesetze in ihrer Heimat. "Die meisten finden, dass wir das besser machen."

Vor allem die zunehmende Angst und Wut der Frauen und Mütter muss Präsident Trump wohl fürchten. Denn der Widerstand gegen den laxen Umgang des Landes mit hochgefährlichen Feuerwaffen ist auffallend weiblich. Das stellt an seiner High School in Saginaw, Michigan, auch der 16-jährige Adrian Bühler aus Nürnberg-Eibach fest. "Die Mädchen hier engagieren sich mehr", sagt er. Und er hat eine recht einfache Erklärung dafür. "Amerikanische Jungs haben selbst öfter eine Waffe."

Und wer gegen eine Verschärfung der Gesetze ist, der begründe das meist auch damit, dass er als Hobby öfter am Schießstand ist oder auf die Jagd geht, erzählt Adrian Bühler. Oder er führe das alte amerikanische Argument an: "Ich muss mein Haus verteidigen." Als deutscher Gastschüler kommt man mit dem Hinweis "Dafür gibt es bei uns die Polizei" bei der jungen Minderheit der Waffenbefürworter meist nicht sehr weit. Adrian: "Mit einigen in der Klasse rede ich nicht gern über das Thema." Auch er traut den protestierenden Schülern einen langen Atem zu. Dass sich aus ihrem Kampf gegen den amerikanischen Waffenwahn eine breitere Oppositionsbewegung entwickeln könnte, glaubt er hingegen nicht. Die Mehrheit der Jugendlichen sei aber auch im eher konservativen Michigan ohnehin kein Anhänger von Trump.

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