Perfekt bis ins Detail

23.3.2010, 00:00 Uhr
Perfekt bis ins Detail

© Daut

Mit Spielzeug, so viel ist dann schon klar, hat die Leidenschaft für Züge im Kleinformat nur sehr wenig zu tun. Auch wenn es bei einem Besuch in den Räumlichkeiten des Modelleisenbahnclubs Nürnberg unweit der Jansenbrücke dann doch erst einmal erfreulich entspannt zugeht: Der jugendliche Vereinsnachwuchs drängt sich rund um die heißbegehrte Steuereinheit der 18 Quadratmeter großen Anlage. Die älteren Vereinsmitglieder sitzen unterdessen in einem kleinen Nebenraum oder stehen an den Wänden rund um die Miniaturlandschaft, wo Glasvitrinen voller Loks und Wagen hängen.

Sanftes Rattern

Zum Rattern der kleinen Züge, das sich manchmal wie ein sachtes Regenprasseln anhört, unterhalten sie sich über ihr Hobby, wechseln dann wieder zur Anlage, um eine von zuhause mitgebrachte Garnitur vorzuführen und versuchen dem Neuling zu erklären, was ihre Passion ausmacht.

»Es geht um Kreativität, ums Abschalten und das Abtauchen in eine kleine Idylle», sagt Günther Mollenhauer. Jeden fasziniert dabei etwas anderes. Der 60-jährige Mollenhauer etwa wird »magisch» von den Dioramen genannten Miniaturlandschaften angezogen. Der Vereinsvorsitzende Ralph Münchberger erzählt dagegen begeistert von Modellzügen der so genannten »Epoche II», was seinen Stellvertreter Jörg Neumaier dazu bewegt, sich mit einem leicht gelangweilten Gesichtsausdruck wieder den Kabelsträngen und Schaltungen zu widmen, die sich unter der langgestreckten Platte verbergen: Seit Wochen ist der EDV-Spezialist in jeder freien Minute dabei, die Anlage des Vereins mit über 130 Loks und weit über 700 Wagen auf digitalen Betrieb umzustellen. Ansonsten schwärmt er für die modernen Züge der »Epochen V und VI», sprich den ICE und alles, was sonst noch so seit den 1990er Jahren aufs Gleis kam.

Eine Passion, kein Spiel

Was aber alle eint, ist ein ausgeprägter Hang zur Perfektion, der auch für Mollenhauer die Grenze zwischen bloßem »Spiel» und »Leidenschaft» markiert. Wichtig für einen echten Modellbahner sei die Detailtreue, das Zusammenspiel von Fahrzeugen und Landschaft bis in den letzten Millimeter. »Da geht es um sportlichen Ehrgeiz. Und wenn es genau sein soll, gehören zu den Zügen aus den 1930er Jahren eben auch die entsprechenden Signalanlagen an den Gleisen». Und natürlich sollten auch die Häuserfassaden aus der selben Zeit sein. Und die Autos. Und die Autokennzeichen, die Kleidung der Figuren...

So zerbrechen sich die Dioramen-Experten im Verein seit Monaten den Kopf darüber, wie man denn zu ihrem nachempfundenen Gebirgsfluss einen ordentlichen Wasserfall hinkriegen könnte. »Schäumendes Wasser ist nämlich ein echtes Problem», sagt einer, während Münchberger erklärt, dass der gerade vorüberfahrende Zug »leider nicht ganz vorbildgerecht» ist, weil vor die roten Doppelstockwagen (Epoche V) eine »111er Lok gehört und nicht die 146er».

Die Modellbahner sind eine treue Klientel, die sich ihr Hobby im Lauf der Jahre schon mal einige (Zehn)tausend Euro kosten lassen. Den Herstellern wie Roco, PIKO, den Nürnberger Firmen Fleischmann, Trix oder auch dem einstigen Branchenprimus Märklin droht dennoch das Abstellgleis, weil sie mit ihren sündteuren Sammlermodellen den Anschluss im Kinderzimmer und somit zum lukrativen Massenmarkt verpasst haben.

Nachwuchs wie im bereits 1948 gegründeten Modelleisenbahnclub Nürnberg ist eher die Ausnahme, wie auch Münchberger sagt. Aber warum schwärmen erwachsene Männer eigentlich für eine Modelleisenbahn?

Sind es romantische Kindheitserinnerungen wie bei Münchberger, der als Knirps vor 40 Jahren mit seinem Opa entlang der Bahnstrecke Bamberg-Hof den vorbeifahrenden Dampfloks zugesehen hat? Die Freude am jahrelangen Tüfteln wie bei Mollenhauer und Neumaier? Die Sammelleidenschaft? Darauf weiß auch hier niemand eine genaue Antwort. »Aber wenn man das Virus einmal hat, kriegt man es nicht mehr weg», sagt Münchberger. Entsprechend gelassen nimmt man so auch das weit verbreitete Negativbild vom Modellbahner als »Nietenzähler», der obendrein noch ein eher schwieriges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht pflegt.

Probleme mit den Ehefrauen seien in Wirklichkeit die absolute Ausnahme, sagt Mollenhauer. Zumal das Hobby »ja meistens auch älter ist als die Beziehung» - und zudem Vorteile bietet: »Es ist zum Beispiel viel leiser als Tubablasen».

Ach ja, und dann wird einem beim Verein zum Abschluss noch wärmstens der Film »Liebe, Tod und Eisenbahn» empfohlen, der 1990 im Fernsehen lief. Darin wird ein fanatischer Modellbahner von seiner entnervten Frau gemeuchelt und dann von ihr im Gebirgsmassiv seiner Anlage fachgerecht »entsorgt». Um Menschen mit so viel Selbstironie muss sich ohnehin niemand Sorgen machen.