Poker-Runde nach der Wahl: Steiniger Weg nach "Jamaika"

26.9.2017, 19:26 Uhr
Alle Zeichen stehen auf schwarz-gelb-grün. Offen ist in dieser Poker-Runde, wie gut die beiden kleineren Parteien ihre Karten ausspielen.

© Ralf Hirschberger Alle Zeichen stehen auf schwarz-gelb-grün. Offen ist in dieser Poker-Runde, wie gut die beiden kleineren Parteien ihre Karten ausspielen.

Union, FDP und Grüne stellen sich auf schwierige Gespräche über die Bildung einer Jamaika-Koalition ein. Zwei Tage nach der Bundestagswahl bemühten sich Vertreter der drei potenziellen Partner, inhaltlich Pflöcke einzuschlagen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin, Deutschland stehe vor einer schwierigen Regierungsbildung. Er sei aber zuversichtlich, dass am Ende eine arbeitsfähige Regierung stehe. Steinmeier rief angesichts des Wahlerfolgs der AfD zum Zusammenhalt der Gesellschaft und eine offene Debatte über Probleme im Land auf.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier wies FDP und Grünen in einem Dreierbündnis Nebenrollen zu: "Jamaika funktioniert nur, wenn die mit Abstand stärkste Kraft, die Union, das bestimmende Element ist und wenn die anderen Partner wissen, dass sie nicht die Bestimmer sein können", sagte der Ministerpräsident, der in Hessen mit den Grünen regiert, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland am Dienstag.

Der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nannte die avisierten Gespräche "schwierig wie nie". Zwischen Grünen und CSU bestünden "fundamentale Unterschiede in der Inneren Sicherheit und der Flüchtlingspolitik", sagte Stoiber dem "Tagesspiegel" am Mittwoch. Da die SPD in die Opposition wolle, gebe es für die Union "aus staatspolitischen Gründen keine andere Möglichkeit als Gespräche mit FDP und Grünen über eine Regierungsbildung zu führen".

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, der das Jamaika-Modell aus Kiel kennt und nun zum Sondierungsteam der Grünen gehört, sagte dem SWR, die Voraussetzungen für ein solches Bündnis seien "die denkbar schwierigsten". In zentralen Politikbereichen sprach Habeck von "Sollbruchstellen".

Zudem ließen Ankündigungen von CSU und Teilen der CDU vermuten, dass die Union angesichts des Wahlerfolges der AfD "eher nach rechts" tendiere. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki trat ebenfalls auf die Bremse. "Die programmatischen Unterschiede sind groß", sagte er der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" am Dienstag. "Alle werden Kompromisse machen müssen."

FDP-Chef Christian Lindner hatte am Montag bekräftigt, dass seine Partei auf die vom Parteitag kurz vor der Wahl beschlossenen Trendwenden in zehn Handlungsfeldern pochen werde. Die Mehrheit der Deutschen könnte sich mit Schwarz-Gelb-Grün arrangieren. 57 Prozent der Befragten fänden laut ARD-"Deutschlandtrend" eine solche Regierung gut oder sehr gut. Das seien 34 Prozentpunkte mehr als am Wahltag. Eine neue große Koalition aus CDU/CSU und SPD wollen nur 31 Prozent. Sollte es keine Jamaika-Koalition geben, befürworten 65 Prozent eine Neuwahl.

Dauerbrenner Obergrenze

Differenzen gibt es dabei auch zwischen den Unionsparteien, die bei der Wahl beide massiv verloren haben. "Dieses Wahlergebnis kann uns nicht kalt lassen", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer der "Passauer Neuen Presse" am Dienstag. Die CSU habe den Wählern Garantien gegeben. Dazu gehöre eine Obergrenze für Flüchtlinge.

CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel hat diese bisher abgelehnt, am Montag aber nur noch gesagt, es werde eine Lösung geben. Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) rät der Union, ihr sozialpolitisches Profil zu schärfen. "Wenn wir den Abstand zwischen Reich und Arm nicht verkleinern, dann werden wir dem Flüchtlingsstrom und den Problemen in unserem Land nicht Herr werden", sagte der Sozialexperte der Deutschen Presse-Agentur. Die soziale Frage sei global entscheidend. Dies sei eine Lehre der Bundestagswahl.

CDU und CSU - gemeinsam allein?

Über das Wahlergebnis und die Neuaufstellung wollten an diesem Dienstagnachmittag auch die neuen Bundestagsfraktionen in Berlin beraten, mit Ausnahme der FDP, die schon am Montag getagt hat. Bei der Union wollten CDU und CSU die Fortsetzung ihrer Fraktionsgemeinschaft beschließen. Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollten den Abgeordneten dann die Wiederwahl von Fraktionschef Volker Kauder (CDU) vorschlagen.

Die deutsche Industrie sieht ein Jamaika-Bündnis nicht als problematisch an. "Ich glaube sehr wohl, dass wir mit den Inhalten leben können", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, dem Bayerischen Rundfunk. Der Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA), Anton Börner, betonte in der "Südwest Presse" am Dienstag ebenfalls, eine Koalition aus Union, FDP und Grünen könne sehr stabil sein. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer mahnte eine rasche Regierungsbildung an.

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