Schlechter Ruf: Der Bachelor als Reform-Baustelle

5.7.2016, 10:43 Uhr
Die anvisierten Reformen sollen dafür sorgen, dass Studierende mehr Freiräume erhalten.

© Michael Reichel/dpa Die anvisierten Reformen sollen dafür sorgen, dass Studierende mehr Freiräume erhalten.

Ein großer Teil der frischgebackenen Abiturienten des Jahrgangs 2016 steuert auf ein Bachelor-Studium zu. Der "kleine" Hochschulabschluss hat sich im Prinzip bewährt - als Brücke in den Beruf oder als Vorstufe zum höherwertigen Master-Grad. Und doch ist der Ruf des Bachelors nicht der beste. Nun wird an den Hochschulen und in den Bundesländern auf der Reform-Baustelle gewerkelt - das Ergebnis soll Anfang bis Mitte Juli auf dem Tisch liegen.

Warum soll es Änderungen am Bachelor-Studium geben?

Die Reformer wollen teils harscher Kritik begegnen, die es schon seit der Einführung im europaweiten "Bologna"-Prozess gibt. Mit dem 1999 in der norditalienischen Stadt vereinbarten System führt ein Studium zu den international anerkannten Abschlüssen Bachelor und Master. Seither wird der auf sechs Semester angelegte Bachelor gern geschmäht - als gerade mal dreijähriges "Schmalspurstudium", als "zu verschult" durch Vorgaben, zu eng getaktet und mobilitätsfeindlich. Einige Schwachpunkte wollen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) jetzt ausräumen.

Um wie viele Bachelor-Studenten geht es in Deutschland?

Um sehr viele. 2014 erreichten von etwa 320 000 Universitäts- und Fachhochschulabsolventen 70 Prozent einen Bachelor als Erstabschluss. Wie der Mitte Juni veröffentlichte Bericht "Bildung in Deutschland" zeigt, werden immer weniger Diplom- und Magisterprüfungen abgelegt, das Staatsexamen spielt mit etwa 15 Prozent Anteil noch bei Medizin und Jura sowie in einigen Ländern fürs Lehramt eine größere Rolle. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes streben drei Viertel der 2,7 Millionen Studenten in einen Bachelor- oder Master-Studiengang. "Bologna", die Reform für kürzere Studienzeiten, europaweite Vergleichbarkeit von Abschlüssen und mehr studentische Mobilität, ist also in Deutschland voll angekommen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass gut jeder Vierte (28 Prozent) sein Bachelor-Studium abbricht.

Was könnte konkret anders werden im Studienverlauf?

Die anvisierten Reformen sollen dafür sorgen, dass Studierende mehr Freiräume erhalten. Die "Übersättigung mit Inhalten" im knapp bemessenen Bachelor-Studium müsse aufhören, sagt HRK-Vize Holger Burckhart. Er stellt sich das so vor: "Generellere Studienangebote in den ersten beiden Semestern", fachliche Orientierung im dritten und vierten, Vertiefung im fünften Semester - dann sollen die Studenten entscheiden, ob sie einen Abschluss machen und als Bachelor in einen Beruf gehen oder aber weiterstudieren wollen. Um Druck vom Kessel zu nehmen, sollte nach dem Willen der Bachelor-Reformer in den ersten beiden Semestern auf Noten verzichtet werden, "Bestanden" oder "Nicht bestanden" reiche aus. Anfängliche Leistungen würden dann nicht in die Endnote einfließen - eine Erleichterung für viele Studenten.

Soll ein Studium dann insgesamt länger dauern?

Das kalkulieren die Hochschulen ein. "Es sollte künftig keine starre staatliche Vorgabe für eine Gesamtstudienzeit Bachelor und Master von zehn Semestern mehr geben", sagt HRK-Chef Horst Hippler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Von dem Karlsruher Physik-Professor ist eine ironische Spitze überliefert: "Ein Bachelor in Physik ist nie im Leben ein Physiker." Hippler geht es um Entschleunigung zugunsten von mehr Studienqualität und -tiefe: Lediglich drei Jahre bis zur Bachelor-Prüfung - das lasse doch kaum Raum "für die nötige erste Orientierung, für Blicke über das eigene Fach hinaus, für Praktika oder Auslandssemester".

Wie sind die Berufsaussichten von Bachelor-Studenten?

"Bachelor-Absolventen machen Karriere", sagt klipp und klar die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Die Arbeitslosenquote von Fachhochschulabsolventen liegt bei etwa drei Prozent, unter Uni-Absolventen sind es sogar nur rund zwei Prozent. Auch der Bildungsbericht 2016 belegt: Wer als Bachelor in den Beruf geht, hat meist gute Chancen. "Zwei Drittel der Bachelors von Universitäten und drei Viertel aus Fachhochschulen, die nach dem Bachelor erwerbstätig werden, sind (...) etwa ein Jahr nach dem Studium in Positionen tätig, für die ein Hochschulabschluss erforderlich ist." Die Praxistauglichkeit ist aber umstritten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat ermittelt, dass schon etwa jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) Bachelor-Absolventen beschäftigt (2010: 13 Prozent). Laut Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags waren 2015 jedoch nur 47 Prozent der Betriebe mit ihren Bachelor-Zugängen zufrieden.

Wie geht es jetzt mit dem Reformschub weiter?

Im nächsten Wintersemester ändert sich im Uni-Alltag wohl noch gar nichts. Eine Vereinbarung zwischen Hochschulen und Ländern sollte eigentlich im Mai fertig sein, doch dann sahen die Kultusminister noch Nachbesserungsbedarf. Im Juli dürfte es nun aber soweit sein: "Das Papier ist final mit der Hochschulrektorenkonferenz abgestimmt und wird in den nächsten Tagen von der KMK verabschiedet", sagte KMK-Generalsekretär Udo Michallik Ende Juni der dpa. Wie schnell es zur konkreten Umsetzung an den Hochschulen kommt, bleibt abzuwarten.

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