Seehofers Abgang auf Raten, eine tragische Selbst-Demontage

12.11.2018, 11:32 Uhr
Seehofers Abgang auf Raten, eine tragische Selbst-Demontage

© John MacDougall/afp

Horst Seehofer ist bereit, seinen Hut zu nehmen. Als diese Nachricht immer konkreter wurde, konnte man das erleichterte Aufatmen beinahe im gesamten Land vernehmen. Sicher, der Hüne aus Ingolstadt hat seine Verdienste, das muss man anerkennen. Er galt zurecht stets als das "soziale Gewissen" der CSU. Zum Ende hin aber war er nur mehr eine Belastung - für seine Partei, für die Große Koalition und für die politische Kaste im Allgemeinen, reihte er sich doch ein in die Riege jener Politiker, die nicht loslassen können, obwohl ihr Zenit längst überschritten ist.

Doch Horst Seehofer wäre nicht Horst Seehofer, wenn er sich nicht noch ein Hintertürchen offen ließe. Und das hat er inzwischen ja auch genutzt: Nachdem es erst hieß, er werde nicht nur als CSU-Chef zurücktreten, sondern auch seinen Posten als Bundesinneminister räumen, machte er diesbezüglich eine Kehrtwende und will vorerst doch in Berlin im Amt bleiben. Das Unberechenbare ist und bleibt damit das einzig Berechenbare an diesem altgedienten Polit-Hasen. Er kann offenbar schlicht nicht loslassen.

Nüchtern betrachtet, ist die Causa Seehofer indes eine fast schon tragische Selbst-Demontage. Es hat damit angefangen, dass er im Frühjahr noch einmal den Wechsel von der Isar an die Spree wagte, wo er sich ein Superministerium zurechtschusterte. Eine starke bayerische Stimme wollte er in Berlin sein - und wurde sehr bald zum Haudrauf, der unverhohlen gegen die Kanzlerin opponierte und eine koalitionsinterne Krise nach der anderen heraufbeschwor, wohl auch aus Sorge um die bevorstehende Wahl in Bayern. Der von ihm befeuerte Streit um Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze brachte die Unionsfraktion ins Wanken und konnte nur mit viel Mühe wieder überwunden werden. "So ist er halt, der Horst", hieß es achselzuckend, und man ertrug Seehofers Eskapaden zähneknirschend, wegen der Koalitionsräson.

Darauf folgte die Maaßen-Affäre - Seehofer hielt am äußerst umstrittenen Präsidenten des Verfassungsschutzes fest, als dieser objektiv betrachtet längst nicht mehr zu halten war. Doch der CSU-Mann wollte es noch einmal wissen, testete aus, wieviel Macht er noch besitzt. Wer ihn kannte, konnte spätestens daran ablesen, dass Seehofer etwas verloren hatte, was ihn über viele Jahre ausgezeichnet hatte: ein feines Gespür für das, was geht und was nicht. Ein Gespür für das, was sich auch die Menschen im Land wünschen.

Vertrauensverlust der Volksparteien

Durch sein renitentes Verhalten und sein geradezu joviales Auftreten in den letzten Wochen aber war der Ingolstädter letztlich maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass die CSU in Bayern ihre absolute Mehrheit eingebüßt hat. Es steht außer Frage, dass er überdies einen bedeutenden Anteil am Vertrauensverlust gegenüber den Volksparteien generell zu verantworten hat.

Aber Vorsicht: Seinen politischen Rückzug hatte er aus Kalkül schon einmal angekündigt, kam dann aber doch wieder. Sein designierter Nachfolger als Parteichef, Markus Söder, darf sich also nicht zu früh freuen. Bei Seehofer muss man stets mit allem rechnen, er war sich auch für eine Volte nach der Volte nie zu schade. Das gilt nach wie vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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