Seenotrettung: Italien bedroht Zukunft von "Sophia"-Mission

20.7.2018, 18:10 Uhr
Seenotrettung: Italien bedroht Zukunft von

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Italien bedroht die Fortsetzung des in der Flüchtlingskrise gestarteten EU-Marineeinsatzes vor der libyschen Küste. Die für Sicherheitsfragen zuständigen EU-Botschafter mussten am Freitag zu einer außerplanmäßigen Sitzung zusammenkommen, weil die Regierung in Rom es nicht mehr akzeptieren will, dass von den EU-Schiffen aus dem Mittelmeer gerettete Migranten automatisch nach Italien gebracht werden.

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sagte, es solle nun im Rahmen der ohnehin geplanten strategischen Überprüfung des Einsatzes nach einer Lösung gesucht werden. Sie war eigentlich für September geplant, soll nun aber beschleunigt werden.

Bislang waren es 49.000 Flüchtlinge

In Italien wird der auch von Deutschland mit einem Marineschiff unterstützte EU-Einsatz bereits seit längerem mehr als Problem denn als Hilfe gesehen. Das liegt vor allem daran, dass sich die Regierung 2015 damit einverstanden erklärt hatte, dass am Rande des Einsatzes gerettete Migranten in italienische Häfen gebracht werden. Damals war noch nicht absehbar gewesen, dass die eigentlich für den Kampf gegen Schleuserkriminalität losgeschickten EU-Schiffe Zehntausende Menschen an Bord nehmen würden. Bislang waren es insgesamt mehr als 49.000.

Wie es in dem Streit weitergeht, war zunächst unklar. Die neue Regierung in Rom fährt einen harten Anti-Migrationskurs und hat in den vergangenen Wochen mehrfach nicht zum EU-Marineeinsatz zählende Schiffe mit geretteten Migranten an Bord blockiert. So erreichte sie am vergangenen Wochenende, dass noch vor der Anlandung von rund 450 Migranten in Italien EU-Partner wie Deutschland zusagten, einige der Menschen aufzunehmen.

Juncker schreibt an Conte

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte bereits am Samstag in einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk eine Revision der Mission Sophia gefordert. Innenminister Matteo Salvini, der Chef der rechten Lega, forderte schon Anfang Juli, dass nicht mehr alle Schiffe von EU-Missionen wie Themis oder Eunavfor Med Sophia automatisch in Italien einlaufen.

Juncker wies in einem von Politico veröffentlichten Brief an Conte auf die "fundamentale Rolle" der Sophia-Mission für die Bekämpfung illegaler Migration hin. "Es ist also in unserem gemeinsamen Interesse, dass jede mögliche Änderung unserer derzeit laufenden Aktivitäten mit maximaler Aufmerksamkeit geprüft werden", schrieb der Kommissionschef.

Contes Vorschlag zur Einrichtung einer Kriseneinheit zur Verteilung von Bootsflüchtlingen unter der Koordinierung der EU-Kommission gegenüber zeigte sich Juncker offen. Dies könne aber lediglich eine "Etappe" auf dem Weg zu stabileren Mechanismen sein. Allerdings sei die EU-Kommission nicht befugt, Schiffen einen sicheren Hafen zuzuweisen. Eine Sprecherin kündigte am Freitag in Brüssel an, die EU-Kommission werde in der kommenden Woche Vorschläge vorlegen, wie die Ankünfte von Migranten über den Sommer organisiert werden könnten.

Grundsätzlich ist jeder Staat, der eine Rettungsaktion koordiniert, auch dafür zuständig, einen sicheren Hafen zu bestimmen. Sophia wird zwar von Italien geführt. Das bedeutet der EU-Kommission zufolge aber nicht, dass der sichere Hafen deshalb auch in Italien liegen muss, sondern könnte auch in einem anderen EU-Land sein.

"Wir retten jeden Tag hunderte Menschen"

Italien isoliere sich in Europa immer mehr, schrieb die Zeitung La Repubblica. Die Regierung Conte könnte die EU-Mission an eine andere europäische Hauptstadt verlieren.

Unterdessen verteidigte der Chef der international anerkannten libyschen Einheitsregierung, Fajis al-Sarradsch, die Küstenwache seines Landes gegen Kritik. Zu Vorwürfen einer spanischen Hilfsorganisation, die Küstenwache habe Menschen im Mittelmeer zurückgelassen, sagte er der Bild-Zeitung: "Das sind ungeheure Vorwürfe, die nicht stimmen und von unserer Küstenwache bereits klargestellt wurden. Wir retten jeden Tag hunderte Menschen vor der Küste Libyens."

Al-Sarradsch forderte einen globalen Plan, um die Flüchtlingskrise zu lösen. Libyen sei nur das Transitland, das die Menschen für ihre Flucht nutzten. Dem Plan der EU, mögliche Ankerzentren in seinem Land zu eröffnen, erteilte er eine Absage. "Wir sind absolut dagegen, dass Europa ganz offiziell bei uns illegale Migranten unterbringen will, die man in der EU nicht haben möchte."

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