Sicherheitskonferenz: USA und Russland beharken sich

17.2.2018, 17:32 Uhr
Sicherheitskonferenz: USA und Russland beharken sich

© Sven Hoppe/dpa

Gemessen an den Tweets seines Präsidenten Donald Trump war das Statement, das sein Sicherheitsberater Raymond McMaster an die europäischen Verbündeten richtete, die reine Freundlichkeit. Keine Ermahnungen wegen zu geringer Verteidigungsanstrengungen, keine Bedenken in Richtung EU, die nach Ansicht so mancher amerikanischer Sicherheitspolitiker neben der Nato mit der "Europäischen Verteidigungsunion" womöglich einen Konkurrenzverein aufmachen will. Dafür ein Bekenntnis zur Nato und gute Worte über die EU: "Unsere Nationen sind sicher, wenn wir zusammenarbeiten". 

Umso klarer die Kante gegenüber Nordkorea, dem Iran, dem Regime in Damaskus und andere nicht namentlich erwähnte "Schurkenstaaten", darunter auch "revisionistische Mächte", die Demokratien mit "Desinformation und Subversion" angriffen. Damit konnte nur Russland gemeint sein. 

Lawrow nicht amüsiert

Auf eine Zwischenbemerkung des russischen Parlamentariers Konstantin Kosachev hin ging McMaster noch mehr in die Offensive. Die Technologien, Attacken, Spionage und Desinformation im Cyberspace zurückzuverfolgen, würden immer besser, drohte Trumps Sicherheitsberater. In Folge der jetzt gegen 13 russische Staatsbürger in den USA eingeleiteten Strafverfahren werde öffentlich werden, wie die Dinge lägen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow war sichtlich nicht amüsiert über die provozierende Frage eines Europaabgeordneten, ob er denn nun zufrieden sei mit dem Ergebnis, den die "Investitionen" in den US-Wahlkampf. "Solange wir die Fakten nicht kennen, ist alles andere nur Spekulation", brummelte der Russe. Die Amerikaner streiten sich untereinander, legte der frühere russische Botschafter in den USA Sergej Kisljak dar: "Wir haben damit nichts zu tun". 

Lawrow wiederholte im Grundsatz die Kritik, mit der Staatspräsident Wladimir Putin 2007 in München die neue Phase der Konfrontation eröffnet hatte: Der Westen sei mit der Ausweitung der Nato nach Osten wortbrüchig geworden. Man habe gemeint, Russland erst einmal beibringen zu müssen, wie Demokratie funktioniert "anstatt zu versuchen, andere Länder zu verstehen".

"Ohne Europa ist alles nichts"

Niemand sollte versuchen, die EU zu spalten, warnte Deutschlands Außenminister Gabriel, weder China noch Russland, "aber auch nicht die USA". In dem Maße, in dem sich die USA auf sich selbst zurückzögen, expandiere China, warnte Gabriel unverblümt: Die USA sind nicht mehr die mit Abstand stärkste Macht der Welt". China sei auf dem Weg, sein System zu globalisieren, das "nicht auf Freiheit, Demokratie und individuelle Menschenrechte" basiere. Der "globalen chinesischen Strategie" habe der Westen bisher keine eigene entgegen zu setzen. 

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sorgte sich ebenfalls wegen der "neuen Weltordnung", die China schaffen wolle. Man sollte chinesische Investitionen in Europa auf ihre "strategischen Inhalte hin" überprüfen. "China füllt das Machtvakuum", stellte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fest. Selbst in der EU wird heute immer mehr über Kampfflugzeuge und Panzer geredet.

"Als einziger Vegetarier wird man es in einer Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben", bedauerte Gabriel. Man brauche in Europa "mehr Kampfpanzer", sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gradeheraus: "Denkfabriken haben wir genug". Anstelle der Amerikaner mahnte der polnische Premier die Bündnispartner, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. 

Beim französischen Ministerpräsidenten Edouard Philippe stieß er damit auf offene Ohren. Der Zwei-Prozent-Wert solle nach dem Plan der Regierung von Emanuelle Macron bis 2025 erreicht werden. Bundesaußenminister Gabriel war da zurückhaltend. Wenn Deutschland dem Zwei-Prozent-Ziel entsprechend jährlich 70 Milliarden Euro für Verteidigung ausgeben würde, könnte das auch so mancher Partner "nicht für eine gute Idee" halten. "Deutschland und Frankreich müssen praktisch zusammenarbeiten, sonst wird Europa weiterhin ein Seminarthema bleiben", forderte Philippe. Da stimmte der Deutsche gerne zu: "Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts". 

Auch Kommissionspräsident Juncker machte sich für Verteidigungsanstrengungen der EU stark und wunderte sich über die kritischen Töne aus den USA. Viele Jahre seien von dort Klagen gekommen, die Europäer täten zu wenig für ihre Verteidigung, beschwerte sich Juncker: "Und jetzt ist es auch wieder nicht recht". 

Eine neue Eiserne Lady

Nicht recht ist den Rest-Europäern nach wie vor der Brexit. Detailliert bemühte sich die britische Premierministerin Theresa May darzulegen, dass es auch nach einem Austritt ihres Landes aus der EU keine Verschlechterung der Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen geben dürfe. "Die unsere Sicherheit bedrohen hätten nichts lieber als dass wir uns aufsplittern", sagte die Regierungschefin des abspaltungswilligen EU-Landes. "Wir werden gemeinsam unsere Werte weltweit verteidigen". 

Das wäre "so viel einfacher", wenn das Vereinigte Königreich EU-Mitglied bleiben würde, konnte sich Konferenzleiter Wolfgang Ischinger als Bemerkung nicht verkneifen. Da musste sich Theresa May als neue Eiserne Lady geben: "Wir werden austreten. Es wird kein zweites Referendum geben". "Wir befinden uns nicht mit Großbritannien im Krieg und wollen uns nicht rächen", versicherte Juncker, machte aber auch klar: Bei den Austrittsverhandlungen werde es keine Vermischung von Fragen der Verteidigung und ökonomischen Themen geben. 

Rechtsstaat à la Yildirim

Für eine Mischung aus Erstaunen und Entrüstung sorgte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in München, der die fragwürdigen Aktivitäten seines Landes im angrenzenden Syrien als einem Kampf "um mehr Demokratie und Menschenrechte" interpretierte. Gefragt nach dem Einsatz der türkischen Armee gegen die mit den Amerikanern verbündeten Kurden in Syrien zeichnete Yildirim ein kompromissloses Schwarz-Weiß-Bild: Wenn einen neue "terroristische Organisation" auftrete: "Sollen wir da wegschauen?". 

Als eines der wenigen Zeichen der Entspannung in diesen Tagen machte in München die Kunde von der Freilassung des deutschen Journalisten Deniz Yücel die Runde. Man sollte jetzt "die gute Situation nutzen, um sie noch besser zu machen", sagte Gabriel. Der türkische Ministerpräsident wurde mit dem Hinweis konfrontiert, dass noch mehr als 150 Journalisten in tükischen Gefängnissen sitzen. "Die Türkei", dozierte Yildirim, "ist ein Rechtsstaat wie Deutschland und die USA. Niemand hat das Recht, die Rechtsstaatlichkeit eines Landes in Frage zu stellen". Die Justiz müsse ihre Arbeit machen. Wenn es freilich "zu lange dauert", dann könne das Parlament eingreifen, "um das Verfahren zu beschleunigen". 

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