Sind Flüchtlinge motivierter als Langzeitarbeitslose?

14.6.2016, 09:51 Uhr
Sind Flüchtlinge motivierter als Langzeitarbeitslose?

© Eduard Weigert

Herr Scheele, warum soll mit den Flüchtlingen jetzt plötzlich gelingen, was mit einer Million Langzeitarbeitslosen seit Jahren nicht funktioniert?

Detlef Scheele: Die Flüchtlinge sind unter dem Gesichtspunkt der Motivation keine Problemgruppe. Das sind Menschen, die für sich, für ihre Kinder ein besseres Leben suchen und sich anstrengen. Ich will damit keinesfalls sagen, dass sich jeder Langzeitarbeitslose nicht anstrengt, aber eine lange Arbeitslosigkeit kann auch zu sozialer Isolation und letztendlich zu Resignation führen, so dass wir Schwierigkeiten bei der Vermittlung haben.

Wie schnell werden Flüchtlinge in Arbeit kommen?

Scheele: Wenn wir jetzt gut sind, was Spracherwerb und die Erfassung von Kompetenzen angeht, dann kann es gelingen, dass eine Reihe von Flüchtlingen schnell Arbeit findet – wir rechnen mit zehn Prozent, die im ersten Jahr einen Job finden, und 50 Prozent nach fünf Jahren.

Was für Jobs werden das sein?

Scheele: Wir sagen: Work first. Flüchtlinge, die schnell Geld verdienen und in die Heimat schicken wollen, sollen auch als Helfer anfangen können, aber nicht Helfer bleiben. Lösen lässt sich das über berufsbegleitende Fortbildung: Zwei oder drei Monate lang findet nur Spracherwerb statt, anschließend parallel Berufsbildung und Spracherwerb, wobei über sechs Monate der Anteil der Berufsbildung größer wird und der Anteil der Sprachkurse entsprechend abnimmt. Das ist eine erfolgversprechende Kombination, damit es nicht heißt: einmal Helfer, immer Helfer.

Dennoch geht es zunächst also um geringqualifizierte Jobs. Entsteht da nicht eine Konkurrenz zu Menschen in Deutschland, die es eh schon schwer haben?

Scheele: Erstens ist die Gruppe der Flüchtlinge sehr klein. Wir rechnen mit bis zu 350.000 Flüchtlingen, die bis Jahresende dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können – bei 43 Millionen Beschäftigten. Die Forscher des IAB sagen: Wenn eine Konkurrenz auftritt, dann tritt sie unter Migranten auf – und im Hotel- und Gaststättenbereich sowie am Rande bei Verkehr und Logistik. Das kann sein. Grundsätzlich entsteht dem einheimischen Geringqualifizierten aber keine Konkurrenz. Wir haben 250 Millionen Euro zusätzlich bekommen und Personal eingestellt – wir sind so aufgestellt, dass niemand einen Nachteil durch die Flüchtlingssituation hat.

Wie viele Flüchtlinge sind im Moment arbeitslos?

Scheele: Wir haben 145.000 Menschen aus den Asyl-Herkunftsländern, die zur Zeit arbeitslos sind. Die Zahl wächst jeden Monat um zwischen 9000 und 13000. Bis zum Jahresende können es bis zu 350.000 werden. Diese Entwicklung wird zur Zeit aber überkompensiert von einheimischen Arbeitslosen, die Jobs finden. 2016 werden wir laut IAB deshalb insgesamt rund 20.000 Arbeitslose weniger haben als letztes Jahr.

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