So gehen die Parteien mit der Landtagswahl in MV um

5.9.2016, 10:12 Uhr
So gehen die Parteien mit der Landtagswahl in MV um

Sie waren vorgewarnt. Sie wussten es seit dem frühen Nachmittag. Zu dem Zeitpunkt waren die ersten Prognosedaten der Meinungsforscher im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU, eingetroffen. Von nun an dauerte es zwar noch Stunden, bis die Wahllokale schlossen. Aber die Christdemokraten konnten schon mal überlegen, was sie zu dem wahrhaft verheerenden Wahlergebnis sagen würden. Viel ist ihnen nicht eingefallen.

Es war ein doppelter Schlag für die CDU. Erstens verlor sie mehrere Prozentpunkte, was schon für sich genommen unangenehm gewesen wäre. Zweitens landete sie im Nordosten klar hinter der AfD. Schlimmer konnte es eigentlich kaum kommen. Die stolze Kanzlerpartei mit den drei am längsten amtierenden Regierungschefs der Nachkriegsgeschichte (Kohl, Adenauer, Merkel) kann sich nicht mehr gegen die relativ junge Konkurrenz der Rechtspopulisten durchsetzen.

CDU hat kaum Erklärungen zu bieten

Man sah es den beiden christdemokratischen Haupt-Interpreten des Abends an, wie fatal das Ergebnis ist. Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer und Generalsekretär Peter Tauber konnten beim besten Willen am Wahlergebnis nichts Positives finden. "Das Ergebnis ist bitter", gab Tauber zu. Es sei "eine neue Erfahrung", nach der Auszählung der Stimmen nur noch auf Platz drei zu stehen. "Das ist kein schöner Abend für uns", gestand Grosse-Brömer. Recht viel mehr hatten sie nicht an Erklärungen zu bieten. Die Teilnehmer an der Wahlparty im Adenauer-Haus hatten ohnehin geschwiegen, als um 18 Uhr die Zahlen auf den Fernsehbildschirmen erschienen.

Die Person, die jetzt eigentlich gefragt gewesen wäre, befand sich an diesem Wahlabend Tausende von Kilometern entfernt. Kanzlerin Angela Merkel musste beim G20-Gipfel in China ihr Land vertreten. Doch auch sie erkannte, dass sie schnell reagieren muss. Entgegen aller Gewohnheiten (keine innenpolitischen Äußerungen im Ausland) ließ sie eine Stellungnahme für die nächsten 24 Stunden ankündigen. Und es hieß sogar, dass sie einen Tagesordnungspunkt mit den Staats- und Regierungschefs auslassen werde, um sich der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin telefonisch zuschalten zu lassen.

Bei der SPD ist man fröhlich statt missmutig

Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte es dieses Mal etwas besser als die Kanzlerin. Zwar verloren die Sozialdemokraten im direkten Vergleich mehr Prozentpunkte als die Konkurrenz von der CDU, aber beide Minimalwünsche der Bundespartei waren erfüllt: Sie ist die stärkste Kraft im Lande und kann auch weiterhin den Regierungschef stellen. Das reichte, um den manchmal etwas missmutigen Sigmar Gabriel an diesem Abend relativ fröhlich erscheinen zu lassen. "Herzlichen Glückwunsch", rief er lächelnd in die Mikrofone und meinte damit Ministerpräsident Erwin Sellering im rund 200 Kilometer entfernten Schwerin. Direkt neben Sigmar Gabriel und dem Rednerpult und damit im Fokus der Fernsehkameras durfte Michael Müller stehen, der Regierende Bürgermeister von Berlin. Das war als freundschaftliche Unterstützung gedacht, denn der Genosse steht in zwei Wochen zur Wahl.

AfD: Frauke Petry genießt den Sieg

Frauke Petry, Bundesvorsitzende der AfD, genoss den Sieg ihrer Parteifreunde in Mecklenburg. Die Chefin, intern durchaus umstritten, konnte in den Interviews am Wahlabend darauf verweisen, dass ihre Partei ausnahmslos allen Konkurrenten Stimmen abgenommen habe – Sozial- und Christdemokraten ebenso wie Grünen und Linken. Stolz sei sie auch darauf, dass die AfD die NPD aus dem Landtag herausgehalten habe.

So gehen die Parteien mit der Landtagswahl in MV um

Für die NPD ist der Wahlabend tatsächlich verheerend. Sie war zehn Jahre ununterbrochen im Schweriner Parlament vertreten gewesen, nun verfügt sie in keinem Landtag mehr über einen Abgeordneten. Damit fehlt die finanzielle und personelle Basis, um langfristig irgendwo einen Neuanfang zu starten. Zudem ist die Partei durch das Verbotsverfahren in ihrer Existenz bedroht.

Die Alternative für Deutschland stabilisiert sich unterdessen – bundesweit betrachtet – immer mehr. Nun sind die Rechtspopulisten schon im neunten und bald auch wohl im zehnten von 16 Landtagen vertreten und der Bundestag im Herbst 2017 ist auch in greifbare Nähe gerückt. Erfolgreicher als in Mecklenburg war die AfD bisher übrigens nur einmal, nämlich in Sachsen-Anhalt.

Linke: "Wir haben ein ernsthaftes Problem"

Für die Linke, die sich eigentlich traditionell als die Wahrerin der ostdeutschen Interessen betrachtet, sind die dortigen AfD-Erfolge besonders ernüchternd. "Wir haben ein ernsthaftes Problem", gestand Dietmar Bartsch, Fraktionschef im Bundestag. Beobachter rechnen nun damit, dass die Haltung der Linken zur Flüchtlingspolitik heftig diskutiert werden wird. Hatte doch Co-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht mit ihrer kritischen Position für neue Töne bei der Linkspartei gesorgt.

Grünen-Chef Cem Özdemir wollte sich am Wahlabend nicht auf die üblichen Spielchen einlassen, also die eigenen Kräfte zu loben und die Konkurrenz zu beschimpfen. Er probierte es mal anders und forderte alle im Bundestag vertretenen Parteien auf, angesichts der AfD-Erfolge in sich zu gehen. "Wir sollten über uns reden. Darüber, was wir anders machen können", sagte er. Schließlich gebe es gerade auf dem derzeit umstrittensten Politikfeld erhebliche Gemeinsamkeiten: "Die Flüchtlingspolitik haben wir schon alle miteinander gewollt."

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