SPD: Immer mehr GroKo-Gegner melden sich zu Wort

16.1.2018, 09:54 Uhr
Martin Schulz macht sich weiterhin für eine große Koalition stark. Martin Groschek, Vorsitzender des SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen,spricht von "nachdenklichen Unentschlossenen".

© Marcel Kusch/dpa Martin Schulz macht sich weiterhin für eine große Koalition stark. Martin Groschek, Vorsitzender des SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen,spricht von "nachdenklichen Unentschlossenen".

Vor der Abstimmung über Koalitionsverhandlungen auf dem SPD-Parteitag gibt es nach Ansicht von NRW-Landeschef Michael Groschek noch viel Unsicherheit in der Partei. "Wir haben Mitglieder, die sagen Ja, und welche, die sagen Nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenklichen Unentschlossenen", sagte der SPD-Politiker am Dienstag dem Radiosender WDR2.

Groschek rechne mit weiteren Diskussionen über die Sondierungsergebnisse mit der Union. "Natürlich werben wir für ein Ja, aber wir werben überzeugend und nicht überredend", sagte Groschek. SPD-Chef Martin Schulz hatte am Montag bei einer Vorbesprechung der westfälischen Delegierten für Verhandlungen mit CDU und CSU geworben. "Es war ein sehr offener und sehr konstruktiver Meinungsaustausch", sagte Schulz anschließend. Dem Parteitag sehe er sehr optimistisch entgegen.

Entscheidung am Bundesparteitag in Bonn

Union und SPD hatten am Freitag die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt. Am Sonntag soll ein Bundesparteitag in Bonn entscheiden, ob die SPD förmlich in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigen soll oder nicht. In den Reihen der Partei ist die Skepsis gegenüber einer weiteren großen Koalition aber groß.

Stimmen gegen die große Koalition

So sprachen sich am Dienstag zwei Sozialdemokraten aus Dortmund klar gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aus. "Wir haben zuletzt zwei Mal eine große Koalition gemacht und sind zwei Mal mit einer großen Niederlage rausgegangen", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow im ZDF-Morgenmagazin. Man dürfe nicht erneut zum "Anhängsel von Merkel" werden. "Ich habe lieber eine SPD, die in vier Jahren antritt, mit neuem Selbstbewusstsein erneuert ist und die Republik verändern will", sagte Bülow. Das Sondierungspapier enthalte nur "Pflaster, wo man eigentlich eine Sozialwende bräuchte."

Verliert die SPD ihr Profil?

Auch der stellvertretende Vorsitzende der Dortmunder SPD, Jens Peick, ist nach dem Gespräch mit Parteichef Schulz nicht von der Neuauflage von Schwarz-Rot überzeugt. "Ich glaube, dass die SPD in einer GroKo noch weiter an Profil verlieren würde und dann bei den nächsten Wahlen noch schlechter abschneidet", sagte Peick im Inforadio.Die vorrangige Frage sei: "Schaffen wir einen Politikwechsel?" Beim Sonderparteitag will Peick gegen Verhandlungen über eine neue schwarz-rote Regierung stimmen. Damit wächst der Widerstand in der SPD gegen Koalitionsverhandlungen weiter.

Entscheidung über die Aufnahme der Verhandlungen

Am Montag hatte sich der Vorstand der Berliner SPD mit 21 zu 8 Stimmen gegen Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition ausgesprochen. Für die 23 Berliner Delegierten auf dem Sonderparteitag sei die Entscheidung aber nicht bindend. Bereits am Samstag hatte sich der Landesvorstand in Sachsen-Anhalt gegen ein neues Bündnis mit CDU und CSU ausgesprochen. Der Landesvorstand in Brandenburg befürwortete derweil mit 9 zu 2 Stimmen die Aufnahme von Verhandlungen über eine GroKo.

Kritik an den Sondierungsergebnissen

Auch im Bundeswirtschaftsministerium stoßen die Sondierungsergebnisse auf Kritik. Laut Berichten des Handelsblatts sehen die Beamten in der Leitungsebene des SPD-geführten Hauses die Teil-Abschaffung des Soli aus "verteilungspolitischen Gründen" kritisch. Zudem wird die Erhöhung des Kindergelds als unwirksam bezeichnet und eine stärkere Absenkung des Arbeitslosenbeitrages und mehr Mut in der Europa- und Klimapolitik gefordert. Das gehe aus einer hausinternen Analyse des Ministeriums mit über 100 Anmerkungen zu den Sondierungsergebnissen hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Forderung nach Akzeptanz

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn forderte die SPD auf, die Ergebnisse der Sondierungen mit der Union zu akzeptieren. "Der eigene Erfolg sollte sich nicht daran bemessen, wie sehr der andere leidet", sagte Spahn dem Nachrichtenportal t-online.de. Einige in der SPD scheinen Erfolg aber genau daran zu messen: "Wie sehr haben wir der Union einen reingedrückt? Das ist Selbstverzwergung", kritisierte Spahn.

Schulz ist weiterhin auf Werbetour 

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht erklärte im ZDF-Morgenmagazin, sie habe es nicht für möglich gehalten, dass die SPD unter solchen Bedingungen möglicherweise wieder in eine Koalition geht. "Ich finde es wirklich unglaublich, wie eine Partei, die immerhin mal sozialdemokratisch war, jetzt dauerhaft Niedriglöhne, Altersarmut, Lebensunsicherheit weiter verfestigt", sagte sie, Martin Schulz setzt am Dienstag seine Werbetour bei der Basis fort und trifft sich in Düsseldorf mit Delegierten aus dem Rheinland. Die Zustimmung der NRW in SPD ist für den Parteichef besonders wichtig: Knapp ein Viertel der Parteitagsdelegierten kommt aus diesem Bundesland.

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