Streit zwischen Sohn und Kohls Witwe eskaliert weiter

21.6.2017, 17:37 Uhr
Vor verschlossenen Türen steht Walter Kohl (l), Sohn des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl vor dem Wohnhaus Kohls in Oggersheim gemeinsam mit zwei Enkelkindern des Altkanzlers. Kohl verharrte eine halbe Stunden vor der geschlossenen Tür, ohne dass ihm geöffnet wurde.

© Boris Roessler/dpa Vor verschlossenen Türen steht Walter Kohl (l), Sohn des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl vor dem Wohnhaus Kohls in Oggersheim gemeinsam mit zwei Enkelkindern des Altkanzlers. Kohl verharrte eine halbe Stunden vor der geschlossenen Tür, ohne dass ihm geöffnet wurde.

Bei dem europäischen Trauerakt am 1. Juli in Straßburg werden Kanzlerin Angela Merkel und führende Vertreter Europas die Verdienste des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl würdigen. Neben der CDU-Chefin sollten EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Europaparlament sprechen, teilte das Bundesinnenministerium am Mittwoch in Berlin mit. Außerdem sind Reden des französischen Staatsoberhauptes Emmanuel Macron und des früheren US-Präsidenten Bill Clinton geplant. In Kohls Heimat Rheinland-Pfalz würdigte der Landtag am Mittwoch dessen politische Verdienste.

Der Streit zwischen Kohls Witwe Maike Kohl-Richter und seinem älteren Sohn Walter eskalierte indes weiter. Begleitet von zwei Enkelkindern versuchte Walter Kohl vergeblich, in das Haus seines Vaters in Ludwigshafen-Oggersheim zu gelangen. Er sagte, er sei von der Polizei auf ein Hausverbot hingewiesen worden. Am Freitag war der Sohn am Sterbebett seines Vaters gewesen. Von dessen Tod erfuhr er nach eigenen Angaben aus dem Radio. Kohl war am Freitag im Alter von 87 Jahren nach langer Krankheit gestorben.

Der Anwalt Kohl-Richters, Stephan Holthoff-Pförtner, warf Walter Kohl vor, einen Eklat zu inszenieren. Der langjährige Anwalt und Vertraute Helmut Kohls sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, er habe am Dienstag das Gespräch mit dem Kohl-Sohn gesucht, um die Abläufe der Trauerfeierlichkeiten zu bereden und zu klären, wie sich Söhne und Enkel Kohls verabschieden könnten. Walter Kohl habe eingewilligt, ein Telefonat zu führen, sei zum verabredeten Zeitpunkt aber nicht erreichbar gewesen. "Er hat sich diesem Gespräch entzogen." Dass Walter Kohl am Mittwoch mit Kohls Enkeln unangemeldet vor dem Haus in Oggersheim um Einlass bitte, sei "die gewollte und bewusste Inszenierung eines Eklats". Die Darstellung Walter Kohls, er werde abgeschirmt, sei falsch. Walter Kohl war zunächst für eine Reaktion auf die Äußerungen Holthoff-Pförtners nicht zu erreichen.

Der Anwalt dementierte zudem einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, wonach Merkel nach Kohl-Richters Willen ursprünglich auf dem Trauerakt nicht habe sprechen sollen. "Es gab zu keinem Zeitpunkt in der Familie Helmut Kohls Bedenken gegen eine Rede der Bundeskanzlerin beim Trauerakt in Straßburg", sagte Holthoff-Pförtner der dpa. Der Spiegel schreibt, Kohl-Richter habe die Idee präsentiert, nur ausländische Gäste sollten sprechen, darunter Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, erbitterter Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik. Erst als Vertraute vor einem Eklat warnten, sei sie von den Überlegungen abgerückt.

Der Anwalt wies auch die Darstellung der Bild-Zeitung vom Dienstag zurück, die Witwe habe konkrete Vorstellungen für Gästeliste und Ablauf gehabt, die die Organisation eines deutschen Staatsaktes für Kohl schwierig gemacht hätten.

Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich zu Berichten über eine schwierige Abstimmung der Trauerzeremonien nicht äußern. Auch Informationen, nach denen Kohl-Richter eine Rede von Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier habe verhindern wollen, wollte er nicht kommentieren. "Allen Beteiligten ist vollkommen klar, welch singulär große Rolle Helmut Kohl bei zwei entscheidenden politischen Aufgaben der vergangenen Jahrzehnte gespielt hat" - der europäischen Einigung und der deutschen Einheit, sagte Seibert.

Mit einer Gedenkstunde nahm der rheinland-pfälzische Landtag Abschied von Kohl. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rief dazu auf, das Vermächtnis des "großen rheinland-pfälzischen Europäers" zu bewahren. "Helmut Kohl hat sich um Rheinland-Pfalz, um Deutschland und um Europa in historischer Weise verdient gemacht", sagte Dreyer. "Nur wenn wir das Gemeinsame suchen und das Trennende überwinden, hat Europa eine Zukunft." In Rheinland-Pfalz war Kohl von 1969 bis 1976 Ministerpräsident.

CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner nannte Kohl "einen der größten Staatsmänner der Nachkriegsgeschichte". "Man wird seinen Namen noch kennen, wenn viele andere längst vergessen sind", sagte die CDU-Vizechefin.

Der Trauerakt im EU-Parlament in Straßburg wird nach Angaben des Innenministeriums am 1. Juli um 11 Uhr beginnen und etwa zwei Stunden dauern. Kohls Sarg werde mit einer Europafahne bedeckt, danach per Hubschrauber nach Deutschland gebracht und nach der Landung bei Ludwigshafen nach Speyer übergeführt. Dort sei im Dom am späten Nachmittag eine Totenmesse geplant. Aus gut unterrichteten Kreisen ist bekannt, dass für diese Teilstrecke angedacht ist, den Sarg mit Kohl per Schiff zum Dom zu bringen. Unklar ist noch, ob dies organisatorisch machbar ist.

Im Anschluss an die Totenmesse ist laut Innenministerium vor dem Dom ein "militärisches Abschiedszeremoniell mit Ehrenformation" vorgesehen, danach werde Kohl beigesetzt. Kohl wird seine letzte Ruhestätte auf einem Friedhof in Speyer finden und nicht im Familiengrab der Kohls in Ludwigshafen.

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