Studie zeigt: Internet langsamer als Verträge zusichern

22.1.2018, 20:55 Uhr
Nur rund 72 Prozent aller Nutzer stationärer Internetanschlüsse erhalten mindestens die Hälfte der vertraglich zugesicherten Höchstgeschwindigkeit. Lediglich bei 12 Prozent dieser Nutzer wurde die Höchstgeschwindigkeit voll erreicht oder übertroffen.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa Nur rund 72 Prozent aller Nutzer stationärer Internetanschlüsse erhalten mindestens die Hälfte der vertraglich zugesicherten Höchstgeschwindigkeit. Lediglich bei 12 Prozent dieser Nutzer wurde die Höchstgeschwindigkeit voll erreicht oder übertroffen.

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto beim Händler Ihres Vertrauens. Schickes Design, ein paar Extras – und bis zu 230 km/h soll der Wagen schaffen. Die ersten Fahrten auf der Autobahn aber verlaufen enttäuschend. Mehr als 110 km/h sind nicht drin, von der versprochenen Höchstgeschwindigkeit bleibt Ihr Auto meilenweit entfernt. Mit Müh‘ und Not quälen Sie sich an den Lastwagen vorbei. Verliefe Ihr Autokauf so, Sie würden sich betrogen fühlen.

Ähnlich dürfte es vielen Internetnutzern beim Blick auf eine aktuelle Veröffentlichung der Bundesnetzagentur gehen. Von Oktober 2016 bis September 2017 hat die Behörde mit Hunderttausenden Messungen untersucht, wie schnell Daten online übertragen werden. Die Daten aller Nutzer von Festnetzanschlüssen, die auf der Seite www.breitbandmessung.de im angegeben Zeitraum einen Geschwindigkeitstest durchführen ließen, flossen in die Untersuchung ein. Die gemessene Übertragungsrate wurde dann mit der im Vertrag mit dem Anbieter vereinbarten Höchstgeschwindigkeit verglichen. Das Ergebnis: Nur rund 72 Prozent aller Nutzer stationärer Internetanschlüsse erhalten mindestens die Hälfte der vertraglich zugesicherten Höchstgeschwindigkeit. Lediglich bei 12 Prozent dieser Nutzer wurde die Höchstgeschwindigkeit voll erreicht oder übertroffen.

Noch düsterer ist die Lage für Nutzer mobiler Datenverbindungen, etwa über Smartphones und Tablets. Gerade einmal rund 19 Prozent erhielten hier mindestens die Hälfte der vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate. Zwar sprechen die Anbieter schon vorsorglich beispielsweise von "bis zu 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s)" – garantieren die hohe Übertragungsrate also nicht ausdrücklich – dass Werbung und Realität jedoch derart weit auseinanderklaffen, dürfte vielen Nutzern nicht bewusst sein.

Mit hohen Geschwindigkeiten von 50 Mbit/s können Nutzer Livestreams in HD-Qualität genießen und auch große Datenmengen schnell herunterladen. Wer testen will, wie nahe seine tatsächliche Übertragungsrate am möglichen Höchstwert liegt, kann auf breitbandmessung.de seinen eigenen Anschluss auswerten lassen. Für mobile Endgeräte stellt die Bundesnetzagentur die kostenlose App "Breitband Messung" zur Verfügung.

Doch was tun, wenn die Höchstgeschwindigkeit dauerhaft deutlich unterschritten wird? "Wir empfehlen betroffenen Verbrauchern, Kontakt zu ihrem Anbieter aufzunehmen. In der Regel wird man da eine einvernehmliche Lösung finden", meint Nick Kriegeskotte, Bereichsleiter Telekommunikation beim Branchenverband Bitkom. Möglich sei beispielsweise der Wechsel in einen günstigeren Tarif. Außerdem stünden seit Mitte 2017 zusätzliche Informationen für Verbraucher im Produktinformationsblatt des jeweiligen Tarifes. "Dort geben die Provider auch die durchschnittlich verfügbare Bandbreite und die minimale Bandbreite an", erklärt der Bitkom-Sprecher.

Zusätzliche Regelungen zugunsten der Verbraucher lehnt der Branchenverband ab. "Wir sind der Meinung, dem Kunden stehen ausreichend Informationen zur Verfügung, um abschätzen zu können, was sein Tarif leisten kann", sagt Nick Kriegeskotte.

Kunden müssen oft auf Kulanz hoffen

Ganz anders beurteilt man das beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Wir sind mit dem Ergebnis der Breitbandmessung total unzufrieden. Es war aber auch nichts anderes zu erwarten", lautet das Fazit von Susanne Blome, Referentin für Digitales und Medien beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Die Ausgangsposition für Kunden im Streit mit ihrem Anbieter um zu niedrige Übertragungsraten ist denkbar schlecht: "Momentan ist man eigentlich auf die Kulanz des Anbieters angewiesen", sagt die Verbraucherschützerin. "Man kann den Weg übers Gericht gehen und eine Kündigung aus wichtigem Grund erwirken. Das ist aber langwierig und finanziell nicht lohnenswert." Außerdem müssten Verbraucher mindestens zwanzig Messungen über zwei Tage hinweg nach genauen Vorgaben der Bundesnetzagentur durchführen, um vor Gericht eine Chance zu haben. Für die Zukunft plant die Behörde, eine Software bereitzustellen, die die Beweisführung etwas vereinfachen soll.

Um Kunden dieses mühsame Prozedere zu ersparen, wollen die Verbraucherzentralen ein branchenspezifisches Sonderkündigungsrecht. Alternativ sollten Verbraucher das Recht haben, ihre Zahlungen an den Anbieter zu reduzieren – ähnlich einer Mietminderung – wenn die Übertragungsgeschwindigkeit mangelhaft ist.

Verantwortlich für das zu langsame Internet sind meist technische Faktoren. So hängt die Datengeschwindigkeit zum Beispiel von der Länge der Leitungen ab, die zum Endverbraucher führen. Außerdem sind die Datennetze bei starker Frequentierung schnell überlastet. Im ausverkauften Fußballstadion per Smartphone eine E-Mail verschicken – hoffnungslos.

Das von der letzten Bundesregierung abgegebene Versprechen, jeder deutsche Haushalt könne im Jahr 2018 mit 50 Mbit/s surfen, lässt sich kaum mehr einhalten. Derzeit sind laut Breitbandatlas des Bundesverkehrsministeriums nur etwa sechs Mbit/s flächendeckend in allen Regionen verfügbar.

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