Teilen ist ihr Lebensprinzip

15.4.2012, 10:00 Uhr

Die Handwerker sind im Haus. Bohrgeräusche dringen aus der Ordensanlage auf dem Schwanberg. Rechts am Wegrand steht ein Lieferfahrzeug und durch die üblicherweise geschlossene Ordenstür eilen zwei Männer in Overalls. Schwester Heidrun Perpetua Schörk bringt ein nagelneues Empfangsgerät herein ins Besuchszimmer im Pfortenhaus und stellt die Packung ungeöffnet ab. „Anschließen werden das später die Handwerker – die wollen dabei gleich das Signal von der Satellitenschüssel prüfen.“ Die drei Fernsehgeräte der Communität Casteller Ring werden heute von analog auf digital umgerüstet.

Nicht, dass die Cellerarin der Schwanbergschwestern nicht auch selber Hand anlegen könnte. Kürzlich hat Schwester Heidrun einen Schrank aufgebaut. „Das war ein echtes Erfolgserlebnis.“ Sie geht auch gern in den Baumarkt. Neue Leuchtmittel statt der veralteten Glühbirnen, Blumentöpfe im Frühjahr, kürzlich einmal eine Waschbeckenkonsole und ein Lampenschirm: Die weitläufigen Gebäude der Schwanbergschwestern wollen gewartet, der materielle Besitz erhalten und erneuert sein.

Manchmal geht auch Priorin Friederike Immanuela Popp einkaufen. „Den Alltag haben wir wie überall, das nimmt uns keiner ab“, sagt sie. Eine Priorin ist die Leiterin einer klösterlichen Gemeinschaft. Eine Cellerarin ist für die wirtschaftlichen Belange zuständig, insbesondere in Gemeinschaften, die wie die evangelische Schwanberg-Communität nach benediktinischer Regel geführt werden. Die „Regula Benedicti“ ist eine von Benedikt von Nursia im 6. Jahrhundert verfasste Mönchsregel. In den Kapiteln 31 bis 57 stehen Anweisungen über die Verwaltung des Klosters, den Dienst und die Versorgung seiner Bewohner, die Aufnahme von Gästen sowie über den Umgang mit Handwerk und Handwerkern. Die „RB“ wird heute auch gerne als Maßstab für intelligentes Wirtschaften angesehen.
Das so genannte Pfortenhaus ist eine dem verschlossenen Ordenshaus vorgelagerte „gute Stube“ der Schwestern. Von klösterlicher Armut kann hier keine Rede sein – im Gegenteil: schon die gepflegte Einrichtung im Pfortenhaus – restaurierter Sekretär, zwei restaurierte Apothekerschränkchen, Flachbild-TV mit neuerdings digitalem Empfang sprechen eine ganz andere Sprache. „Wir leben nicht das franziskanische Ideal, sondern sind die benediktinische Gruppe.“ Priorin Popp spricht im Blick auf die Schwestern am unterfränkischen Schwanberg nicht von Armut, sondern von Gütergemeinschaft. Über die restaurierten Möbel beispielsweise sagt sie: „Das sind Erbstücke.“

Der Umstand, dass jede der drei Dutzend Ordensschwestern ihr Hab und Gut hier eingebracht hat, ermöglicht allen gemeinsam einen „feinen bürgerlichen Lebensstil“, sagt Schwester Popp. Und so gerät, was anfangs als Austausch über klösterliches oder christliches Armutsideal gedacht war, zum Gespräch über Besitz und Verwaltung, über die Versorgung und selbstverständliche Sozialversicherung einer jeden Schwester, über das lebenslang verbindliche Bleiben an einem Ort und in einer geistlichen Gemeinschaft.

Cellerarin Schörk, die für den gesunden Wirtschaftshaushalt der Communität Casteller Ring Sorge trägt, sagt: „Mir ist von Benedikt her der maßvolle Umgang mit Gütern ein Begriff.“ Priorin Popp: „Wir helfen zusammen, damit unser Leben gelingt.“ Die Cellerarin: „Wir investieren viel Lebenszeit miteinander.“ Die Priorin: „Wir sind eine verdichtete Form von dem, was früher Gemeinde sein wollte. In großen Strukturen wie Stadt oder Kirche geht davon vieles verloren. Wir aber können uns täglich sehen, Zeit teilen, Kontakt haben. Wie die ersten Christen, die viel Alltag zusammen hatten.“

Bei allem Reden über das Haben – also die Gütergemeinschaft – möchte Priorin Popp das Sein – also die geistliche Gemeinschaft – nicht hinten anstellen. „Gütergemeinschaft, das kennt man auch aus WG und Familie.“ Doch die Frau, die nach jahrelanger innerer Vorbereitung und gemäß dem Aufnahmeritus an die Tür zum Ordenshaus klopft, wird aus dem Kreis der Schwestern nicht in erster Linie nach ihrem Besitz gefragt, so Popp. Vielmehr erklärt sie mit ihrer rituellen Antwort verbindlich, dass sie „von nun an ihre Zeit, ihre Kräfte, ihr ganzes Leben mit uns teilen wird: Sie bleibt. Mit allem, was sie ist und hat.“

Gütergemeinschaft ist nur ein Aspekt dieser Beständigkeit. Mit dem „Stachel“ christlicher Armut im Fleisch von Gesellschaft und Kirche kann die Communität Casteller Ring nicht dienen. Durchaus herausfordernd aber ist dieses Ideal: dass der Mensch am Ort und in der Lebensgemeinschaft bleibt und dass er mit anderen teilt, was er ist und was er hat.

In einem Leitbild heißt es: „Freigewählte Ehelosigkeit, Gütergemeinschaft und mündiger Gehorsam sind die Form, in der wir gemeinschaftlich leben. Junge Frauen gehen mit uns den Weg der Gottsuche und überprüfen in wachsender Verbindlichkeit ihre Berufung zum gemeinsamen Leben. (...) Wir begleiten einander im Hineinwachsen in unsere Gemeinschaft, in Krankheit, Alter und Sterben.“
 

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