TTIP-Dokumente veröffentlicht: Scharfe Kritik an USA

2.5.2016, 12:26 Uhr
TTIP-Dokumente veröffentlicht: Scharfe Kritik an USA

© AFP/ John MACDOUGALL

"Bei den Verhandlungen soll hinter verschlossenen Türen ein mächtiger Rammbock gezimmert werden, der auch den fest verankerten Schutz für Umwelt und Verbraucher wieder aus dem Weg räumen kann. Dieses Geheimabkommen muss gestoppt werden", sagte Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch am Montag bei der Präsentation der Verhandlungsdokumente bei der Digitalkonferenz  "re:publica" in Berlin.

Die Texte, die die Verhandlungspositionen der USA und der EU-Kommission vor der gerade abgeschlossenen 13. Gesprächsrunde zeigten, seien den Umweltschützern zugespielt worden. Allerdings veröffentlichte Greenpeace nach eigenen Angaben nicht die Originaldokumente, sondern Abschriften.

Nach gemeinsamer Prüfung mit dem Recherche-Netzwerk von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sei man sicher, dass die Papiere echt seien, erklärte Greenpeace. Die Quelle werde man nicht preisgeben und "maximal schützen".

Unter www.ttip-leaks.org finden Sie die von Greenpeace veröffentlichten Dokumente.

EU bestreitet Aushöhlung des Verbraucherschutzes durch TTIP

Die Umweltschützer hatten Medien insgesamt 240 Seiten TTIP-Material zur Verfügung gestellt. Laut Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR geht daraus hervor, dass die US-Regierung Europa bei den Verhandlungen deutlich stärker unter Druck setzt als bisher bekannt. So würden Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie blockiert, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Außerdem würden sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, umstrittene private Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen.

Das bislang in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, drohe durch das in den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden. Dadurch dürften in Europa auch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen sei.

Die EU-Kommission wies Vorwürfe zurück, durch TTIP könnten der Umwelt- und Verbraucherschutz ausgehöhlt werden. Das Schutzniveau für Verbraucher, Lebensmittelsicherheit oder Umwelt werde durch ein neues EU-Handelsabkommen nicht sinken, versicherte die verantwortliche Kommissarin Cecilia Malmström in Brüssel.

Merkel will TTIP zügig abschließen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht auch nach den "TTIP Leaks" unverändert auf einen raschen Erfolg der Verhandlungen zwischen EU und USA. "Wir halten den zügigen Abschluss eines ehrgeizigen Abkommens für sehr wichtig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dies sei "einhellige Meinung" der gesamten Regierung. Die Kanzlerin habe ihre Position bereits beim jüngsten Besuch von US-Präsident Barack Obama bei der Hannover Messe deutlich gemacht. 

Das Handelsabkommen TTIP sei eine große Chance, die Globalisierung zu gestalten. Die Exportnation Deutschland sei wie kaum eine andere Volkswirtschaft auf einen freien Welthandel angewiesen. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hänge davon ab, erläuterte Seibert. 

Die Echtheit der von Greenpeace im Internet veröffentlichten Dokumente zum Verhandlungsstand zwischen Washington und Brüssel könne er nicht bestätigen. Er kenne diese Papiere nicht, betonte Seibert.

Grundsätzlich fügte er zu den in den "TTIP Leaks" dokumentierten US-Forderungen an: "Verhandlungspositionen sind keine Verhandlungsergebnisse." Es sei normal, dass beide Seiten ihre Interessen durchsetzen wollten. Deutschland werde keine Absenkung von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards akzeptieren.

SPD-Linken fordern Abbruch der Verhandlungen

Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der bei
TTIP die Federführung hat, erklärte: "Es wird kein Hormonfleisch geben." Die EU werde auch die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht ändern. Schutzstandards für Mensch, Tiere und Umwelt würden durch TTIP nicht infrage gestellt, ebenso wenig das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip.

Gleichwohl fordern die einflussreichen SPD-Linken im Bundestag nach den jüngsten TTIP-Veröffentlichungen den Abbruch der Verhandlungen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer drohte mit einem Veto gegen das Abkommen, falls es nicht vollständige Offenheit zum Inhalt gibt. "Die Dokumente scheinen zu bestätigen, was viele befürchtet haben", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist bitter, dass wieder einmal erst Whistleblower für mehr Transparenz sorgen mussten."

Die EU und die USA verhandeln seit Mitte 2013 über die "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft". Umwelt- und Verbraucherschützer, Gewerkschaften und Sozialverbände befürchten eine Angleichung von Standards auf geringerem Niveau. Die Verhandlungen sind geheim, allerdings muss die EU-Kommission am Schluss ein mehrheitsfähiges Ergebnis vorlegen. Wenn das EU-Parlament und die Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten diesem nicht zustimmen, wird es kein Freihandelsabkommen mit den USA geben. Zudem gilt es als sicher, dass TTIP auch dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird.

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