Über den Tod hinaus: Der Umgang mit digitalem Nachlass

12.7.2018, 21:14 Uhr
In der digitalen Welt gibt es inzwischen bleibende Hinterlassenschaften: Selfies auf Instagram, Tweets, Chats und Posts auf Facebook oder anderen sozialen Netzwerken. Und Videos auf irgendwelchen Kanälen.

© afp In der digitalen Welt gibt es inzwischen bleibende Hinterlassenschaften: Selfies auf Instagram, Tweets, Chats und Posts auf Facebook oder anderen sozialen Netzwerken. Und Videos auf irgendwelchen Kanälen.

Wissen Sie, was Sie dereinst Ihren Angehörigen hinterlassen werden? Wahrscheinlich. Denn das Erbe eines Menschen bestand und besteht in der alten, sich dem Ende zuneigenden analogen Zeit wahlweise aus Schulden oder Erspartem. Meistens erhalten die Erben Geld, Gegenstände und ab und an sogar Immobilien. Selbstverständlich finden sich auch persönliche Dinge im Nachlass des Verstorbenen - etwa Tagebücher und Briefe. In der digitalen Welt gibt es zwar ähnliche bleibende Hinterlassenschaften: Selfies auf Instagram, Tweets, Chats und Posts auf Facebook oder anderen sozialen Netzwerken. Und Videos auf irgendwelchen Kanälen.

Nur geregelt war der Umgang damit bislang nicht. Ein klares Versäumnis des Gesetzgebers, der sich um diese Frage schlicht und einfach gedrückt hat. Eigentlich unverständlich in einem regelwütigen Land wie dem unsrigen. Unverständlich auch deshalb, weil natürlich auch User sterben. Die Frage, was Kinder von ihren Eltern erben, umfasst heute schon häufig deren digitalen Fingerabdruck. Denn, das zeigt das Nutzerprofil von Facebook: Längst zählt die Generation der Silver Surfer dort zur Stammklientel.

Klarheit bei digitalem Nachlass

Es ist also zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof mit seinem richtungweisenden Grundsatzurteil endlich Klarheit über den Umgang mit dem digitalen Nachlass schafft. Und es ist eine gute Entscheidung, dass die Juristen Benutzerkonten in sozialen Netzwerken als ebenso vererbbar betrachten wie das private Fotoalbum im Wohnzimmerregal. Denn es gibt keinen Unterschied zwischen analogem und digitalem Erbe: Beides ist persönlich, beides sollte deshalb den Erben zugänglich sein.

Das gilt auch und erst recht für den besonders tragischen Fall, über den die Karlsruher Richter zu entscheiden hatten: Eine 15-Jährige wurde in Berlin von der U-Bahn überrollt, starb wenig später in einem Krankenhaus und hat ihrer Mutter ein ganzes Bündel quälender Fragen hinterlassen. War es ein Suizid? Wenn ja, welches Motiv steckt dahinter? Und finden sich dazu eventuell Hinweise in den Chats, die die Jugendliche mit ihren Facebook-Freunden ausgetauscht hatte?

Gralshüter des Datenschutzes

Dass Facebook sich bislang beharrlich geweigert hatte, die Daten der Tochter für die Angehörigen freizugeben, ist bemerkenswert: Ausgerechnet der Internet-Gigant, der in der Vergangenheit heikle und persönliche Daten gleich millionenfach an zweifelhafte Nutzer weitergegeben hat, erklärte sich in diesem Fall zum Gralshüter des Datenschutzes. Gut, dass die Richter dieser Feigenblatt-Argumentation von Facebook, wonach die Privatsphäre der Nutzer über deren Tod hinaus zu schützen sei, nicht gefolgt sind.

Dieses Urteil dürfte weitreichende Folgen haben. Union und SPD werden ihrer im Koalitionsvertrag vage formulierten Absichtserklärung, das digitale Erbe regeln zu wollen, nun Taten folgen lassen müssen. Und, das ist noch wichtiger, die Sensibilität für das, was wir im Netz tun und somit für immer hinterlassen, könnte geschärft werden.

"Schwachsinn" in sozialen Netzwerken

Derzeit wird gerade über die sozialen Netzwerke unsäglicher, häufig beleidigender Schwachsinn ausgetauscht. Je näher der Umgang mit den dort versandten Botschaften den bewährten Regeln unseres Miteinanders, also beispielsweise dem Erbrecht, unterliegt, desto eher wächst das Bewusstsein für vernünftiges Verhalten im Netz.

Die Mär von der grenzenlosen Freiheit im Internet ist von der Wirklichkeit längst als Fake News entlarvt worden. Im Netz bedarf es ebenso wie im direkten zwischenmenschlichen Umgang verlässlicher Regelungen. Wer dort agiert, bewegt sich eben nicht im rechtsfreien Raum. Im Zweifelsfall, das ist die Botschaft dieses Urteils, verlängert sich die Haltbarkeit von Posts sogar über den Tod des Absenders hinaus.

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