US-Botschaft in Jerusalem? Trump und das Pulverfass

5.12.2017, 11:54 Uhr
In der Altstadt von Jerusalem ist Donald Trumps Plan, die US-Botschaft in die "ewige" Hauptstadt zu verlagern, höchst umstritten.

© AFP PHOTO / AHMAD GHARABLI In der Altstadt von Jerusalem ist Donald Trumps Plan, die US-Botschaft in die "ewige" Hauptstadt zu verlagern, höchst umstritten.

Politisches Fingerspitzengefühl war noch nie Donald Trumps Markenzeichen. Dieser US-Präsident will nicht politisch korrekt sein. Große Teile der Welt haben sich an diesen Irrsinn gewöhnt und versuchen mit dem mächtigsten Politiker der Welt umzugehen wie mit einem verhaltensauffälligen Kind: möglichst nicht unnötig reizen, und wenn es in einem Tobsuchtsanfall wieder eine Vase zerschlagen hat, rasch die Scherben wegkehren.

Wenn Trump nun aber tatsächlich die US-Botschaft von Israels völkerrechtlich anerkannter Hauptstadt Tel Aviv in die selbst ausgerufene "ewige" Hauptstadt Jerusalem verlegen sollte, geht es nicht um eine wertvolle Vase: Dann legt er die Lunte an ein mit enorm viel Sprengstoff gefülltes Pulverfass. Alle, die dazu beitragen können, müssen ihn davon abhalten.

Die Nahostregion ist ohnehin an vielen Stellen in Brand. Syrien, Irak und Jemen erleiden einen Höllenbrand, der trotz der Niederlagen des Islamischen Staates (IS) keineswegs gelöscht ist. In der direkten Nachbarschaft liegen so viele hochentzündliche Teile, dass größte Vorsicht geboten ist. Nirgendwo aber hat sich mehr Sprengstoff angesammelt als in Jerusalem, das den Israelis wie den Palästinensern als "Heilige Stadt" gilt. Für riskante politische Experimente ist das der vielleicht gefährlichste Ort der Welt.

Gewohnt großspurig

Natürlich ist Trump überzeugt davon, dass ihm gelingen kann, woran sich Generationen von US-Präsidenten – von Jimmy Carter über Bill Clinton bis zu Barack Obama – vergeblich abgearbeitet haben: ein Friedensschluss zwischen Israel und den Palästinensern. "Ich habe gehört, dass das einer der schwierigsten Deals überhaupt ist. Aber zum Schluss werden wir es hinbekommen", verkündete er gewohnt großspurig bei seinem Besuch im Mai, nachdem er als erster amtierender US-Präsident die Klagemauer besucht hatte. Er hat seinen Schwiegersohn Jared Kushner damit betraut, eine Lösung auszuloten. Der ist politisch zwar völlig unerfahren, aber er ist jüdischen Glaubens – und das soll wohl reichen.

Viele Dinge im Nahen Osten sind in den vergangenen Wochen und Monaten erheblich in Bewegung geraten. Die Schreckensherrschaft der IS-Dschihadisten in Syrien und im Irak neigt sich dem Ende zu. Es wird in Washington wie in Moskau, in Riad wie in Teheran bereits über eine Nachkriegsordnung nachgedacht. Die Israelis arbeiten seit mehr als einem Jahr immer enger ausgerechnet mit den ehedem verfeindeten Saudis zusammen – mit der gemeinsamen Stoßrichtung Iran. Unter dem Druck auswärtiger Mächte haben sich auch die giftig verfeindeten Palästinenser-Organisationen Hamas und Fatah aufeinander zubewegt. Es tut sich was.

Blanker Irrsinn

Ausgerechnet in diesem Moment die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, wäre blanker Irrsinn – und Trump hat die Entscheidung nicht abgeblasen, sondern offenbar nur aufgeschoben. Friedensgespräche mit dem israelischen Premier Netanjahu, der sich rühmt, mehr für den Siedlungsbau getan zu haben als jeder seiner Vorgänger, sind schwierig genug. Wenn die USA just in diesem fragilen Moment Jerusalem indirekt als Hauptstadt Israels anerkennen sollten, wäre das, als würde jemand nicht nur mit einem Streichholz hantieren, sondern mit einem Flammenwerfer auf ein Pulverfass halten. Eine neue palästinensische Intifada wäre nicht mehr zu verhindern.

Trump scheint das nicht zu interessieren. Er hat nicht Frieden in Nahost im Blick, sondern seine Anhänger und seine mächtigen Finanzförderer zu Hause. Das ist verrückt. Umso unverständlicher ist es, dass auch die Europäer nur zaghaft den Finger heben. Wer jetzt nicht einschreitet, soll hinterher nicht sagen, man habe das alles doch nicht ahnen können. Die Folgen wären auf dem gesamten Globus schmerzhaft zu spüren.

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