Verfassungsschutz prüft AfD: Große Zustimmung von Parteien

16.1.2019, 10:59 Uhr
Der Verfassungsschutz erklärte die Partei am Dienstag zum Prüffall.

© Wolfgang Kumm, dpa Der Verfassungsschutz erklärte die Partei am Dienstag zum Prüffall.

Die Entscheidung des Bundes-Verfassungsschutzes, die AfD genauer unter die Lupe zu nehmen, findet bei allen anderen Parteien große Zustimmung. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann nannte es "überfällig, dass der Verfassungsschutz das Zusammenwirken von AfD und Neonazis genau beobachtet". Die AfD habe sich ohne Zweifel in den vergangenen Monaten weiter radikalisiert", sagte der SPD-Politiker der Welt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die Entscheidung des Verfassungsschutzes als "plausibel und nachvollziehbar". "Sie muss jetzt konsequent umgesetzt werden", sagte der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte die Partei am Dienstag als Ganzes zum Prüffall erklärt, sieht aber die Schwelle zu einer Beobachtung mit V-Leuten und Telefonüberwachung noch nicht erreicht. Noch genauer hinschauen will der Inlandsgeheimdienst beim rechtsnationalen "Flügel" und der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Diese wurden zum Verdachtsfall erklärt, wie der BfV-Chef Thomas Haldenwang erläuterte. Es gebe gewichtige Anhaltspunkte, dass "Flügel" und JA als "extremistische Bestrebungen" einzustufen seien. Die AfD will sich juristisch wehren.

Zum Prüffall kann eine Partei werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln ist dabei noch nicht erlaubt. Wird eine Organisation dagegen zum Verdachtsfall erklärt wie jetzt der "Flügel" um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, aber nur sehr eingeschränkt.

Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland warf dem Verfassungsschutz vor, aufgrund ungeeigneter Belege entschieden zu haben. "Wenn er als Beispiel anführt, dass wir für die Abschaffung des individuellen Asylrechts sind, dann müsste er auch Herrn (Rupert) Scholz, (den) früheren Verteidigungsminister der CDU, und Herrn (Friedrich) Merz zum Prüffall erklären. Die haben nämlich genau dasselbe gefordert", sagte Gauland am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Er gab zu, dass einzelne AfD-Mitglieder sich verfassungswidrig geäußert haben, weshalb Ausschlussverfahren gegen sie liefen. Aber: "Sie können einzelne Äußerungen nicht der Partei als Ganzes zurechnen."

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte in der Augsburger Allgemeinen: "So harmlos-bürgerlich, wie die AfD sich immer wieder zu geben versucht, ist sie nicht."

Die Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Andrea Lindholz, begrüßte die Entscheidung ebenfalls. "Es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern um den Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung", sagte die CSU-Politikerin der Rheinischen Post. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass das Verfahren rechtssicher durchgeführt werde und auf belastbaren Fakten basiere.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht lobte, "dass der Verfassungsschutz nicht den vielen politisch motivierten Rufen erlegen ist, die AfD zu beobachten". Der CDU-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das zeigt, dass wir keinen politisch gesteuerten Geheimdienst haben." Die AfD in Sachsen-Anhalt wird dem rechtsnationalen Parteispektrum zugeordnet.

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster sagte: "Es ist politisch wirklich schmerzhaft, wenn eine im Deutschen Bundestag vertretene Partei Prüf- oder Verdachtsfall für den Verfassungsschutz wird." Schuster ergänzte: "Aber allein aus juristischer Sicht haben Teile der AfD so zahlreiche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen geliefert, dass die Entscheidung kaum anders ausfallen konnte."

Auch Landesämter für Verfassungsschutz wollen die AfD nun genauer unter die Lupe nehmen. Das kündigten zum Beispiel NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in Düsseldorf und Niedersachsens Ressortchef Boris Pistorius (SPD) in Hannover an.

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die BfV-Entscheidung: "Das gibt mir Hoffnung, dass wir in drei oder vier Jahren nicht mehr über die AfD sprechen müssen."

Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagte der Welt, die AfD bleibe in den Parlamenten, "wo wir ihre Mischung aus "Fake News" und Panikmache weiterhin mit Argumenten bekämpfen müssen".

 

 

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