Verstolperter Start: Andrea Nahles muss sich durchbeißen

23.4.2018, 10:34 Uhr
Die neue Parteivorsitzende der SPD: Andrea Nahles.

© Andreas Arnold/dpa Die neue Parteivorsitzende der SPD: Andrea Nahles.

Wenn es um ihre Vorsitzenden geht, dann kennen die Delegierten von SPD-Parteitagen schon seit Jahren kein Maß mehr. Mal demütigen sie einen gar nicht so erfolglosen Amtsinhaber wie Sigmar Gabriel mit 74,3 Prozent, dann wieder wählen sie einen Mann wie Martin Schulz schon zum Einstand mit 100 Prozent, ohne dass irgendeine Führungsleistung vorausgegangen wäre. Und nun eben Andrea Nahles die, immerhin angesichts einer Konkurrentin, aber letztlich eben doch nur mit 66 Prozent eine frostige Begrüßung als Vorsitzende erlebte - ein verstolperter Start.

Was man dazu wissen muss: Die Sozialdemokraten bestraften bzw. belohnten mit den genannten Ergebnissen gar nicht mal in erster Linie den jeweiligen Kandidaten, der ist lediglich eine Stellvertreter-Figur, sondern spiegeln in erster Linie ihre eigene Stimmung wider. Bei den Schulzschen 100 Prozent machten sie sich gegenseitig Mut, dass die SPD auch mal wieder einen Kanzler stellen kann. Bei den 66 Prozent von Nahles kommt die tiefe Spaltung zwischen GroKo-Befürwortern und -Gegnern zum Ausdruck.

Dabei war die 47-Jährige wirklich die Einzige, die infrage kam. Vizekanzler Olaf Scholz? Den können sie auf der Funktionärsebene erst recht nicht leiden. Gegenkandidatin Simone Lange? Eine durchaus überzeugende Kommunalpolitikerin, aber der direkte Sprung von Flensburg nach Berlin schien dann doch etwas riskant. Und sonst? Da bleiben nur solche Regionalgrößen wie Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Stephan Weil, die momentan (noch) nicht ganz nach oben wollen.

Selbstzerstörerische SPD

Die in gewisser Hinsicht unvermeidliche Andrea Nahles ist aber nun erst mal beschädigt durch das schwache Ergebnis. Man hätte die erste Frau auf diesem Posten nach 155 Jahren auch etwas glorreicher auf dem Chefsessel platzieren können. Aber so ist die SPD eben. Selbstzerstörerisch. Für Nahles muss der schlechte Start dauerhaft nichts heißen. Die Frau hat schon oft bewiesen, dass sie sich unter widrigen Umständen durchbeißen kann.

Die Rheinland-Pfälzerin ist - in der Hinsicht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gar nicht so unähnlich - eine Meisterin darin, sich neu zu erfinden. Ganz früher mal war sie ziemlich weit links, als Generalsekretärin übte sie sich im amtstypischen Kläffen und als Arbeitsministerin wechselte sie auf die seriöse, verantwortungsvolle Seite. Was befremdet, das sind ihre gelegentlichen Ausrutscher ins Lächerliche und Peinliche (der Pippi-Langstrumpf-Gesang im Bundestag, die "Bätschi-Bätschi"-Äußerungen über die Union und erst recht das üble Zitat "Ab morgen kriegen sie in die Fresse").

Nahezu unmöglich

Andrea Nahles muss das nahezu Unmögliche hinbekommen, nämlich die SPD als zuverlässige Regierungspartei erscheinen zu lassen und gleichzeitig als eigenständige politische Kraft, die nicht nur das Anhängsel einer seit 13 Jahren regierenden Bundeskanzlerin ist. Erste Versuche gibt dazu es, indem sie den Juso-Chef Kevin Kühnert stärker einbezieht in die Neupositionierung der Sozialdemokratie.

Spätestens in dreieinhalb Jahren wird sich zeigen, ob die Methode Nahles - Erneuerung unter laufender Regierungsbeteiligung - aufgegangen ist. Eines scheint derzeit wenig wahrscheinlich: dass sie vom Vorschlagsrecht der Parteichefin Gebrauch und sich selbst zur Kanzlerkandidatin macht.

Dafür kommt sie einfach zu schlecht an bei vielen Wählern. Sie dürfte eher eine Arbeitsteilung mit Olaf Scholz im Auge haben, der zwar nicht der Liebling der Delegierten ist, aber den Bürgern als erfahrener Vizekanzler und Finanzminister eventuell als möglicher Regierungschef zu verkaufen wäre. Seit gestern sind alle SPD-Erfolge auch Nahles-Erfolge. Das gilt aber erst recht für Niederlagen.

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