Vom Wadenbeißer zum Landesvater: So tickt der neue Söder

18.1.2018, 09:56 Uhr
Der neue bayerische Minister hat viele Facetten. Das beweist er immer wieder.

© Nicolas Armer/dpa Der neue bayerische Minister hat viele Facetten. Das beweist er immer wieder.

Der neue Markus Söder wurde am Abend des 24. September geboren. Um kurz nach 18 Uhr, als klar ist, dass die CSU ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949 eingefahren hat. Denn ab sofort darf der ehrgeizige Franke wieder auf seinen langgehegten Traumposten hoffen: Ministerpräsident von Bayern.

Knapp vier Monate später hat er das Amt zwar noch immer nicht übernommen, es trennt ihn davon aber nicht mehr wie früher ein schier übermächtiger Parteichef Horst Seehofer, sondern nur noch ein rein formeller Akt und das Ende der Berliner Regierungsfindung. Bis Ende März soll – so der Plan – aber auch das geklärt sein.

Das Leben des Politikers Söder hat sich seither massiv verändert. Und nicht nur das. Auch Söder selbst hat sich verändert, zumindest in seinem öffentlichen Auftreten. Seine öffentliche Wahrnehmung ist dagegen noch die alte: Nur 53 Prozent der Bayern halten ihn für sympathisch. 71 Prozent geben an, dass Söder polarisiere.

Sanfte Töne

Trotzdem – der neue Söder ist leiser. Nicht nur wenn er spricht, sondern auch in dem, was er sagt – verbale Angriffe aus der Abteilung Attacke gegen Freund und Feind sucht man seit der Bundestagswahl vergebens. Stattdessen schlägt Söder nun lieber sanfte Töne an, mancher in seiner eigenen Partei attestiert ihm schon beinah einen landesväterlichen Duktus. Dazu gehört übrigens auch, dass er sich Sätze verkneift und schweigt.

"Da wandelt sich jemand", sagt ein Mitglied des Parteivorstands. Um ein erfolgreicher Ministerpräsident für alle Bayern zu werden, so seine eigene Zielsetzung, ist das auch notwendig. Als Hardliner und akribischer Arbeiter hat er sich seit seinem Einzug in den Landtag 1994 zwar Respekt erworben. Außerhalb Bayerns gilt er aber auch deshalb als Scharfmacher, Populist, Provokateur, Rechtsaußen. "Diese Kritik muss man wegstecken können. Wer mich kennt, weiß, dass mich diese Beschreibungen nicht richtig charakterisieren", sagte Söder dazu einmal.

Viel Unausgesprochenes

Bei der CSU-Klausur im oberfränkischen Kloster Banz ist der andere, der neue Söder gut zu beobachten: Als er am Montag zum Auftakt kommt, beantwortet er mit verschränkten Händen vor dem Bauch geduldig alle Fragen der Presse, spricht langsam und deutlich von dem, was die Bayern unter Heimat verstehen, von Respekt und Würde, aber auch von notwendigen Auseinandersetzungen mit AfD und Co. ohne Angst.

So weit, so gut. Charakterisierender ist aber, was er zu dem Zeitpunkt nicht sagt: etwa seine Meinung dazu, dass Seehofer wenige Stunden zuvor im Parteivorstand vorgerechnet hat, dass die Übergabe der Regierungsgeschäfte je nach Stand der Dinge in Berlin auch erst im April erfolgen kann. Das für Söder unangenehme Thema räumen er und Seehofer erst am Dienstagmittag ab – nachdem beide miteinander "kommuniziert" haben, wie Söder es nennt. Getreu dem seit dem Parteitag Mitte Dezember gültigen Drehbuch geben sich die beiden Alphatiere linientreu, aufgeräumt und als verlässliche Partner, so wie sie die CSU-Doppelspitze selbst sehen wollen.

Söder defensiv

Doch es ist nicht die ganze Geschichte: Denn in den Tagen zuvor kann sich Seehofer so manche humorvoll verpackte Spitze gegen Söder nicht verkneifen, etwa beim großen Neujahrsempfang in der Münchner Residenz, als er immer wieder stichelt. Wieder reagiert Söder defensiv, indem er sich ein Schmunzeln abringt. "Das dürfte ihm nicht leicht gefallen sein", sagt ein Parteifreund, der ihn gut kennt. "Aber er hat sich auf die Zunge gebissen, das wäre früher anders gewesen."

Wie gut Söder schweigen kann, zeigt sich übrigens während des wochenlangen Machtkampfes mit Seehofer zwischen Bundestagswahl und Parteitag – außer wenigen fein austarierten Sätzen zur generellen Lage der Partei im Hintergrund oder in parteiinternen Sitzungen ist von ihm wenig zu hören. Als die Rücktrittsforderungen gegen Seehofer immer lauter werden, lehnt er sich entspannt zurück. Bis heute ist offen, welche Rolle er im Hintergrund der Revolte gespielt hat. Nur einmal lässt sich der 51-Jährige von seinen Gefühlen übermannen. Als die Junge Union im November Seehofers Rücktritt zugunsten von Söder fordert, lobt er die Rebellen als "Rückgrat in der Partei".

Spitzenkandidat zum Anfassen

Dies alles erscheint in diesen Tagen von Banz weit weg. Söder gibt sich gut gelaunt, ein Spitzenkandidat zum Anfassen, immer ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte und mit einem klaren Kompass: selbstbewusst, lösungsorientiert, kampfbereit, aber auf dem Boden der Tatsachen. So was kommt in der CSU gut an. Und doch beschert die Verwandlung der CSU nebenbei auf Landesebene ein bislang kaum vorstellbares neues Problem: Der Partei fehlt ein neuer Wadenbeißer, der – wie früher Söder – den Gegner mit maximaler Härte angeht. Neben ihm könnte sich Söder noch besser als gutmütiger Ministerpräsident etablieren.

Dazu passend hat Söder in Banz auch für seine Kritiker im Land eine Botschaft parat: Künftig sollen Ministerpräsidenten in Bayern nur noch maximal zehn Jahre amtieren dürfen. Mit einer Änderung der Verfassung könne die Distanz zu den Politikverdrossenen wieder verkleinert werden. Sogar die Opposition im Landtag bricht sogleich in Jubel aus. Dem alten Söder wäre so was nicht passiert.

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