Warum Maly eine große Lücke in Nürnberg hinterlassen wird

11.3.2019, 20:11 Uhr
Ulrich Maly war beliebt, bei Parteifreunden, aber auch beim politischen Gegner.

© Roland Weihrauch/dpa Ulrich Maly war beliebt, bei Parteifreunden, aber auch beim politischen Gegner.

Hätte ein Wettbüro die Frage: "Tritt er noch einmal an, oder nicht?" zu Ulrich Maly ausgelobt, sehr sehr viele Menschen hätten sehr sehr viel Geld verzockt. Keiner hat damit gerechnet, dass der (laut Umfrage) beliebteste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt keine Lust mehr hat auf diesen kräftezehrenden Job an der Spitze der zweitgrößten Stadt in Bayern.

Ulrich Maly hat sie alle (bis auf wenige Eingeweihte) überrascht mit seiner Entscheidung. Das scheinbar Offensichtliche, dass er weitermacht, noch für eine vierte Amtszeit kandidiert, es war eben doch nicht so selbstverständlich wie alle angenommen haben. Auch ich bin fest davon ausgegangen, dass er noch einmal antritt.

Der auch bei der CSU hoch angesehene SPD-Politiker hat wenig Rücksicht genommen auf solche Erwartungen und auf seine Partei. So gesehen verdient dieser Entschluss großen Respekt. Zumal ja nicht wirklich Verdruss zu spüren war in der SPD, in der Bevölkerung. Im Gegenteil: Die Umfragen hätten eine weitere Amtszeit nahegelegt.

Doch Ulrich Maly hat sich anders entschieden. Das hätten sich nur ganz wenige zugetraut. Zu groß ist für die meisten (Kommunal-)Politiker die Versuchung, doch noch einmal eine Amtsperiode weiterzumachen. Horst Seehofer erst hat es vorgemacht, wie es ist, wenn man den richtigen Zeitpunkt zum Abtritt verpasst. Solch einen Abgesang wollte sich der Nürnberger Oberbürgermeister in ein paar Jahren ersparen.

Ein Brückenbauer

Es soll nicht klingen wie ein Nachruf, aber: Die Kommunalpolitik in Nürnberg, ja in ganz Deutschland verliert (ab Mai 2020!) einen der besten Akteure. Der Politiker Ulrich Maly besitzt die Gabe, komplexe Sachverhalte schnell zu durchdringen – und sie vor allem Bürgern verständlich zu "übersetzen".

Immer wieder schafft es Maly, der seit 2002 in Kooperationen mit Grünen und CSU und zuletzt nur mit der CSU regiert – Brücken zu schlagen zwischen verschiedenen Fraktionen und Gruppen im Rathaus. Seine Stärke ist es, Kompromisse zu suchen und zu finden. Auch wenn die kleineren Parteien sich immer wieder über Hinterzimmerpolitik im Rathaus beschweren.

Er ist kein ideologischer Sozialdemokrat, was seine Parteifreunde ein ums andere Mal zu spüren bekommen haben. Und aus seiner Abneigung gegen eine Allianz mit den Grünen im Rat hat er nie ein Hehl gemacht. Maly wählte die aus seiner Sicht berechenbarere Variante, in dem er die Christsozialen geschickt in die Rathauspolitik und die Stadtregierung einband. Und sie damit auch – siehe die Ergebnisse der OB- und Kommunalwahlen – in Schach hielt.

 

Spannung im Rathaus

Nun reißt er mit seiner Rückzugsankündigung ein großes Loch in die Nürnberger SPD. Er erwischt die (bayerische) Partei in einer denkbar schlechten Verfassung. Ein Maly – Garant auch für viele Stimmen in der bürgerlichen Mitte – ist nicht so einfach zu ersetzen.

Solch ein Umbruch lässt sich nicht in so kurzer Zeit von zwölf Monaten bis zur Wahl bewältigen, ohne einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger zu nahe treten zu wollen. Die SPD muss sich ernsthaft Sorgen machen, ob sie einen erneuten Sieg der CSU bei der OB-Wahl wie 1996 verhindern kann.

Die CSU wiederum muss, wie es ein Spitzenvertreter gestern formulierte, alles noch einmal auf null stellen. Auch dort hat keiner damit gerechnet, dass Maly nicht mehr kandidieren wird. Wen sollen die Christsozialen ins Rennen schicken? Den noch jungen Marcus König? Der dann wohl gegen den Bürgermeister Christian Vogel sein Glück versuchen wird? Man wird sehen. Jetzt ist es wieder richtig spannend im Nürnberger Rathaus.

Und wollen wir wetten, dass der Privatier Ulrich Maly ab Mai 2020 kein Problem damit hat, aus der aktiven Politik auszusteigen?

Hören Sie dazu auch unseren "Horch amol"-Podcast: Gibt es ein Leben nach Uli Maly?

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