Was wird aus der Zeppelin-Tribüne?

8.11.2011, 06:58 Uhr
Was wird aus der Zeppelin-Tribüne?

© Karlheinz Daut

Die Zeppelintribüne und das vorgelagerte, von Fahnentürmen gesäumte riesige Aufmarschgelände für die in Nürnberg bis 1938 zelebrierten Reichsparteitags-Spektakel gehören zu den wenigen vollendeten Bauwerken des Hitler-Regimes.

Für die Ewigkeit? Speer kannte das schlechte Material, das er auf dem Areal der Führer-Freilichtmessen verbauen ließ, und zeichnete vorsichtshalber nicht nur Bauskizzen, sondern auch noch romantische Visionen des unvermeidbaren Zerfalls. Efeu-überwucherte Ruinen-Landschaften, deren Vorbild die antiken Trümmerfelder Roms waren. Den Führer rührte dieser Blick in die ferne Zukunft an.

Ein hässliches Bild

Wenn man heute die bröselnden und vom Frost abgesprengten Muschelkalkplatten der nach dem Vorbild des Pergamon-Altars gebauten Zeppelintribüne sieht, hat man Zweifel, ob Albert Speer mit seiner „Ruinenwert-Theorie“ wirklich richtig lag. In der Detailansicht gibt der bauliche NS-Größenwahn ein klägliches, hässliches, kein pittoreskes Bild ab.

„Erhalt oder Verfall?“ 66 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur macht es sich Nürnberg wahrlich nicht leicht mit der Frage, wie es mit den Überresten der NS-Hinterlassenschaften umgehen soll. Elf Stunden diskutierten am Samstag Historiker, Denkmalpfleger, Architekten, Tourismus-Experten und andere Fachleute bei einer Tagung des Dokumentationszentrums Reichsparteitage.

Das große Dilemma, das die Stadt seit 1945 immer wieder aushalten muss, kann am Ende auch diese Marathon-Debatte nicht wirklich lösen. Dem Verfall der Nazi-Hinterlassenschaften untätig zuzusehen, das wirkt wie ein Ignorieren der eigenen Geschichte. Verantwortungsvoll mit dem schweren, lokalen Erbe des Verbrecherstaats umzugehen, sich der Vergangenheit zu stellen, historische Lernorte zu schaffen — das bedeutet andererseits, immer wieder große Geldsummen für entsprechende Projekte bereitstellen zu müssen.

Ausgerechnet Johannes Greipl, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, ist es, der im Tagungsverlauf als Erster eindringlich davor warnt, auch bei der Frage nach der Zukunft von Zeppelintribüne und Zeppelinfeld „die finanzielle Dimension zu verdrängen“. Von 60 bis 70 Millionen Euro spricht er. Erste überschlägige Rechnungen der Stadt kommen auf Instandhaltungskosten von bis zu 75 Millionen Euro. Greipl, auf dessen Denkmalschutzliste das Reichsparteitagsgelände steht, sagt einen Satz, der von einem Generalkonservator selten zu hören ist: „Man muss auch mit dem Verlust leben können.“

Greipl hält den „kontrollierten Verfall“, bei dem die Tribüne stets so weit gesichert wird, dass den Besuchern nicht Kalksteinbrocken auf den Kopf fallen, deshalb zumindest für eine Option. Der Erhalt wäre ihm trotzdem lieber. „Aber der Bund darf sich als Rechtsnachfolger dann nicht aus der Finanzierung stehlen.“

Das sieht auch der Historiker und geistige Ziehvater des Nürnberger Dokuzentrums, Wolfgang Benz, so. „Mir graut vor der Summe von 75 Millionen Euro.“ Jede Vernunft spreche dafür, sie kleiner zu halten, wirbt Benz für Bescheidenheit und Realismus. Der bisher der Öffentlichkeit nicht zugängliche „Goldene Saal“ im Innern der maroden Steintribüne, muss seiner Ansicht nach auch künftig nicht täglich geöffnet sein. Der historisch im Grunde unbedeutende Ort, der aufgrund seines Prunk-Dekors zur Mystifizierung taugt, müsste ansonsten für teures Geld von Museumspersonal überwacht werden.

Geschichte seit 1945

Für jeden Sparvorschlag bei der Instandsetzung des Geländes ist die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner dankbar, die Besuchern künftig auch einen Eindruck davon vermitteln möchte, was mit dem Areal seit 1945 geschah. „Auch das gehört zu seiner Geschichte.“

Eine Idee, deren Realisierung zusätzliches Geld kosten würde, macht dann der Berliner Architektur-Professor Wolfgang Schäche. Er wünscht sich am Schnittpunkt der Sichtachsen des Monumentalgeländes einen Turm, der Besuchern nicht nur Überblick verschafft, sondern mit dem „Eingriff in die Baumasse der Kongresshalle“, dem wie einem Dorn aus dem gewaltigen Oval ragenden Dokuzentrum, korrespondieren könnte. Einem Ort, an dem nach Ansicht Schäches „der Umgang mit dem Erbe des Dritten Reiches so perfekt gelungen ist“ wie nirgendwo sonst.

Solches Experten-Lob und die Hoffnung, dass auch verantwortungsbewusster Umgang mit Geschichte zu einem Argument für den Tourismus geworden ist — beides könnte Nürnberg Mut machen für die weiteren Herausforderungen. Und ein wenig kann sich die Stadt auch damit trösten, mit ihren Problemen nicht allein zu sein: Als bei der Tagung Christine Roilo vom Südtiroler Landesarchiv vom Streit der extremen Rechten, der Linken, der deutschsprachigen und der italienischen Bevölkerung in Bozen um die faschistische Hinterlassenschaft eines Siegestores erzählt, glaubt man kurz, dass die Dinge hierzulande eigentlich eher weniger kompliziert sind.

Pure Scham befällt einen hingegen, wenn der Pole Wieslaw Wysok berichtet, wie er als Leiter des Museums Majdanek wegen chronischen Geldmangels zusehen muss, wie die baulichen Überreste des ehemaligen KZ-Geländes dort dem Verfall ausgesetzt sind. Eine vergessene deutsche Hinterlassenschaft.

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