Weichen für Koalition gestellt: CSU analysiert Wahlpleite

16.10.2018, 08:48 Uhr
Die CSU hatte bei der Landtagswahl am Sonntag mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt.

© Michael Kappeler/dpa Die CSU hatte bei der Landtagswahl am Sonntag mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt.

Die Aufarbeitung der schicksalsträchtigen Landtagswahl in Bayern geht weiter: Nach der herben Abstimmungspleite der CSU kommt am Dienstag (11.00 Uhr) erstmals deren deutlich geschrumpfte Landtagsfraktion zusammen. Diese besteht jetzt nur noch aus 85 Abgeordneten – 16 weniger als bisher. Für Ministerpräsident Markus Söder stellt diese erste Fraktionssitzung nach dem schlechten Wahlergebnis einen Gradmesser dar. Die Abgeordneten sind seine wichtigste Machtbasis. Ihre Meinung zu den bevorstehenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen hat deshalb besondere Bedeutung.

Der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer will sich derweil um 12.30 Uhr in Berlin über Auswirkungen der Wahl auf die Bundespolitik äußern. Zuvor hatte am Abend der erste CSU-Kreisverband offen seine Ablösung als Parteichef gefordert. Die Bayern-Wahl dürfte auch Thema in den Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien sein, die am Nachmittag in der Hauptstadt zusammenkommen. Die nächste Landtagswahl steht in knapp zwei Wochen in Hessen an.

Die CSU hatte bei der Landtagswahl am Sonntag mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt. Die SPD halbierte mit Verlusten von rund elf Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landete bei 9,7 Prozent. Zweitstärkste Kraft wurden die Grünen mit 17,5 Prozent - mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2013. Es folgen die Freien Wähler mit 11,6, die AfD mit 10,2 und die FDP mit 5,1 Prozent.

Bündnis mit Freien Wählern

Söder und Seehofer haben sich für ein Bündnis mit den Freien Wählern ausgesprochen. Bündnissen mit SPD und Grünen werden keine realistische Chancen zugesprochen. Sondierungen sollen am Mittwoch sein – die CSU hofft, die Gespräche an einem Tag abschließen zu können.

Mindestens ebenso spannend wie der Ausgang der Regierungsbildung dürfte im Anschluss die interne Aufarbeitung des Wahldebakels in der CSU werden. Der Parteivorstand hatte sich darauf geeinigt, die Suche nach Ursachen und möglichen Verantwortlichen erst nach der Wiederwahl Söders zum Ministerpräsidenten durchzuführen.

Am Wichtigste sei es, eine Regierung zu bilden, sagte Seehofer am Abend in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Seehofer?". Wer im Wahlkampf für Stabilität werbe, könne jetzt nicht mit internen Debatten im Freistaat für Instabilität sorgen. Er betonte, die Aufarbeitung werde ergebnisoffen erfolgen, auch personelle Konsequenzen seien nicht von vornherein ausgeschlossen.

Kein "Weiter so"

Die Priorisierung der Regierungsbildung fand an der Basis Zustimmung. "Aber nach dieser Regierungsbildung wollen wir einen Parteitag mit dem Ziel der personellen Erneuerung und mit dem Ziel, Horst Seehofer abzulösen", sagte der Vorsitzende des Kreisverbands Kronach, der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner, der Deutschen Presse-Agentur. Das habe der CSU-Kreisvorstand einmütig so beschlossen. Baumgärtner betonte, man habe ausdrücklich formuliert, dass Seehofer "grandiose" Erfolge für die CSU gefeiert habe und dass man ihm dafür auch dankbar sei. "Wir glauben aber, dass alles seine Zeit hat." Aus Sicht des Kreisverbandes dürfe es jetzt kein "Weiter so" geben.

Ein "Weiter so" darf es nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann (CSU), auch nicht innerhalb der großen Koalition in Berlin geben. In der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstag) forderte er ein Ende "des Hickhacks in Berlin". "Wenn wir in der großen Koalition jetzt nicht endlich die Kurve bekommen, war's das mit den Volksparteien."

Kritik an GroKo

Der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty äußerte sich kritisch über den Fortbestand der GroKo. "In den nächsten Monaten muss sich sehr viel verbessern, damit der SPD-Parteitag auch für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode grünes Licht geben kann", sagte Kutschaty der Rhein-Neckar-Zeitung (Dienstag). Den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag) sagte er: "Stand heute gibt es in der SPD keine Mehrheit mehr für die große Koalition. (Parteichefin) Andrea Nahles und (Vizekanzler) Olaf Scholz müssen sich anstrengen, das zu drehen."

Dem Kölner Stadtanzeiger sagte er: "Solange wir Juniorpartner in der großen Koalition sind, werden wir nicht als Alternative wahrgenommen." Auf die Frage, wie sich die SPD in der GroKo stärker profilieren könne, sagte er: "Indem wir wieder unseren sozialen Markenkern verteidigen." Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen ist der mitgliederstärkste der SPD und entsprechend einflussreich.


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Jusos wollen Koalitionsbruch

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht zur Halbzeit der Wahlperiode eine Überprüfungsklausel vor. Darauf hatten die Sozialdemokraten gedrungen. Bayerns Jusos etwa dagegen fordern den sofortigen Bruch der Koalition – um sich in Ruhe und mit linkem Profil zu erneuern. 

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mahnte in der Bild-Zeitung (Dienstag): "Eine neue Regierungskrise auszulösen, weil man die Brocken hinschmeißt, macht Deutschland bestimmt nicht stabiler." Mit Blick auf die Bayern-Wahl sagte er, er rate dazu, "diesen Denkzettel zu akzeptieren und die richtigen Konsequenzen zu ziehen." Vizekanzler Scholz sagte in den ARD-Tagesthemen mit Blick auf die unionsinternen Streitigkeiten etwa über den Kurs in der Asylpolitik: "Wir erwarten, dass sich das nicht wiederholt, was wir in den letzten Monaten von unserem Koalitionspartner erleben durften."

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