Weichenstellung: Österreich wählt neues Staatsoberhaupt

3.12.2016, 17:03 Uhr
Weichenstellung: Österreich wählt neues Staatsoberhaupt

© Daniel Reinhardt/dpa

Mit stimmungsvollen Feiern haben in Österreich die beiden Präsidentschaftskandidaten zum Schluss des Wahlkampfs noch einmal um Stimmen geworben. Zwei Tage vor der international stark beachteten Wahl betonte der 72-jährige Alexander Van der Bellen, dass Österreich keiner Radikalkur bedürfe. "Wir lösen Probleme nicht mit Radikalismus, sondern mit Verstand und Zuversicht", sagte der ehemalige Grünen-Chef vor mehreren hundert Anhängern am Freitagabend in Wien. Ein Reformbedarf für das wirtschaftlich stagnierende Land sei aber offensichtlich. "Wir wissen ja, dass es an allen Ecken und Ende zieht. Aber deshalb müssen wir das Haus ja nicht abreißen."

Sein Kontrahent von der ausländer- und europakritischen FPÖ, Norbert Hofer, hat hingegen noch einmal sein neues Amtsverständnis betont. Der 45-Jährige werde sich verstärkt in die Tagespolitik einmischen, kündigte er erneut an. Dazu gehöre auch ein Drängen auf mehr direkte Demokratie mittels Volksbefragungen. "Man muss den Menschen mehr vertrauen", sagte der Rechtspopulist vor rund 200 Zuhörern im Festsaal der alten Wiener Börse. Die Bürger sollten zum Beispiel über das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen Ceta entscheiden können. Zugleich warb er für eine starke Begrenzung der Zuwanderung.

Der österreichische Bundespräsident hat im Gegensatz zum deutschen Amtsinhaber die Macht, die Regierung zu entlassen. Der Ausgang der Wahl in Österreich gilt als völlig offen. Hofer wäre bei einem Sieg der erste Rechtspopulist an der Spitze eines Staates in Westeuropa.

Zuvor hatten sich die beiden Bewerber noch einmal ein unerwartet hitziges Duell geliefert. In der TV-Debatte im ORF fielen Worte wie "Lügner", "Spion" und "Kommunist". Hofer und Van der Bellen präsentierten sich nach Einschätzung von Politik-Experten in der rund 90-minütigen Sendung am Donnerstagabend wenig staatsmännisch. Es war das letzte von vier TV-Duellen vor der Wahl an diesem Sonntag. Dann sind 6,4 Millionen Österreicher aufgerufen, einen Bundespräsidenten für die nächsten sechs Jahre zu wählen.

Die Zahl der Briefwähler bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich ist diesmal deutlich niedriger als bei der ersten Stichwahl im Mai. Dem Innenministerium in Wien zufolge wurden 708 185 Stimmzettel für Briefwähler ausgestellt, das sind etwa 20 Prozent weniger als vor gut sechs Monaten. Ob aus diesem Rückgang bereits Schlüsse auf den Ausgang gezogen werden können, ist unter Experten umstritten.

Unterdessen warnte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz davor, die jüngsten politischen Entwicklungen zugunsten der Populisten über einen Kamm zu scheren. "Ich würde vorsichtig sein mit Verallgemeinerungen", sagte Kurz dem Münchner Merkur. Grundsätzlich sei die Situation in jedem Land spezifisch zu betrachten. "Dann kommt man darauf, dass nicht alles eins zu eins vergleichbar ist. Die AfD ist nicht Donald Trump. Und Donald Trump ist nicht der Brexit."

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