Herr Weise, ist jede Arbeit besser als keine Arbeit?

28.3.2017, 10:00 Uhr
Seit 2002 Vorstandsmitglied, seit 2004 Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit: Frank-Jürgen Weise. (Archivbild)

© dpa Seit 2002 Vorstandsmitglied, seit 2004 Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit: Frank-Jürgen Weise. (Archivbild)

Herr Weise, die Zahl der Arbeitslosen hat sich in Ihrer Zeit in etwa halbiert. Wessen Verdienst ist das?

Frank-Jürgen Weise: Als Erstes das Verdienst der Menschen, die fleißig, flexibel und mobil sind, der Unternehmer, die Mut haben und im besten Sinne etwas unternehmen, der ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen und dann auch der Beschäftigten der Bundesagentur, die in diesen guten Rahmenbedingungen auch gute Arbeit gemacht haben.

Sie sprechen über Rahmenbedingungen. Welche Rolle spielten denn die Hartz-Reformen für den Rückgang der Arbeitslosigkeit?

Weise: Eine große. Sie haben uns als Bundesagentur eine Grundlage gegeben, um von einer Vollzugsbehörde zu einer ergebnisverantwortlichen Organisation zu werden – im öffentlich-rechtlichen Rahmen, aber mit viel unternehmerischen Freiheiten.

Die Reformen haben aus meiner Sicht auch unbestritten mitgeholfen, dass der Arbeitsmarkt flüssiger geworden ist, es verschiedene Formen von Arbeit gibt und viel mehr Menschen in Beschäftigung gekommen sind als das früher der Fall war.

Ist denn dann jede Arbeit besser als keine Arbeit?

Weise: Es muss auch eine Arbeit sein, die zu dem einzelnen Menschen passt. Es gab ja immer mal Empfehlungen, zur Spargelernte Arbeitslose einzusetzen. Ich hätte da meine Bedenken, jemanden, der nicht geübt ist in zum Beispiel körperlich sehr anstrengenden Berufen, zu solch einer Arbeit zu zwingen.

Aber weitgehendst ist Arbeit schon das Richtige für die Menschen. Ich würde immer einen Einstieg auch in einen Job mit schwierigen Bedingungen empfehlen, nach dem dann irgendwann aber unbedingt ein Aufstieg möglich sein sollte – da ist die Bundesagentur gefordert, aber auch die Unternehmen.

Die Hartz-Reformen haben den Druck erhöht auf Menschen, die es ohnehin nicht einfach haben. Hat das nicht auch die Grundlage gelegt für die Spaltung in der Gesellschaft, für dieses Gefühl, „Deutschland ist angeblich so reich, aber davon merken wir da unten gar nichts“?

Weise: Deutschland ist deshalb ein reiches Land, weil viele Menschen sehr erfolgreich und mit großer Mühe arbeiten – das muss man immer sehen. Die Gelder, die wir verwenden, sind ja verdient von Menschen, die frühmorgens aufstehen, lange arbeiten, sich viel zumuten und vielleicht gar nicht so viel netto haben.

Das führt automatisch dazu, dass jeder, der etwas leisten kann, auch etwas leisten sollte. Wer das umgekehrt nicht kann, der muss unsere Fürsorge und Unterstützung bekommen. Für diese Menschen gibt es ein gutes Sicherungssystem. Aber dieses muss natürlicherweise eine Grundsicherung sein und kann nicht darüber hinausgehen.

Sonst könnte bei denjenigen, die weite Strecken zur Arbeit fahren und so wenig verdienen, dass sie nicht einmal ein bisschen Wohlstand oder Reserven bilden können, der Eindruck entstehen: "Das lohnt sich alles nicht." Insofern sehe ich die Dinge anders als diejenigen, die ihren Populismus damit begründen, dass es Druck auf die Menschen gibt.

Sie bleiben der Bundesregierung als Flüchtlingskoordinator erhalten, Sie sind Vorstandsvorsitzender der Hertie-Stiftung. Sehnen Sie sich denn nicht nach einem arbeitsfreien Ruhestand?

Weise: Nein. Wenn jemand in seinem Beruf sehr beansprucht war, wenn er frühmorgens um 5 Uhr aufstehen und lange fahren musste, dann habe ich ganz großes Verständnis, wenn er sich auf das Aufhören freut. Meine Arbeit aber ist geistige Arbeit und ich habe das Glück, gesund zu sein.

Da spüre ich das Alter nicht. Ich habe jetzt viel Erfahrung und die kann ich einbringen. Worüber ich froh bin, ist, dass meine zukünftige Arbeit nicht mehr so intensiv und weniger fremdbestimmt ist. Ich kann jetzt selbst ein bisschen mehr die Akzente setzen.

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