Wie die CSU zu einer ganz normalen Regionalpartei mutiert

15.10.2018, 16:48 Uhr
Wer ist für die Wahl-Schlappe der CSU verantwortlich? Einen Sündenbock wollten die Christsozialen am Tag nach der Landtagswahl noch nicht öffentlich präsentieren. Parteichef Horst Seehofer (rechts) und Ministerpräsident Markus Söder versuchten stattdessen auf einer Pressekonferenz, Geschlossenheit zu demonstrieren.

© CHRISTOF STACHE, dpa Wer ist für die Wahl-Schlappe der CSU verantwortlich? Einen Sündenbock wollten die Christsozialen am Tag nach der Landtagswahl noch nicht öffentlich präsentieren. Parteichef Horst Seehofer (rechts) und Ministerpräsident Markus Söder versuchten stattdessen auf einer Pressekonferenz, Geschlossenheit zu demonstrieren.

Nein, es hat sich niemand aus der Deckung gewagt. Nein, niemand hat personelle Konsequenzen gefordert, jedenfalls nicht so, dass sich die Gemeinten auch zwingend gemeint fühlen mussten. Die CSU hat nach dem Tag ihrer historischen Wahlniederlage das gemacht, was sie in der Vergangenheit schon häufiger getan hat: Die Botschaft ausgesendet, man habe verstanden; eine tiefgreifende Analyse der Zahlen und Fakten versprochen; und alles auf die lange Bank geschoben.

Stabilität sei jetzt das Wichtigste, hat es geheißen. Personaldiskussionen seien das falsche Signal. Die Koalition müsse erst einmal stehen. Das habe Vorrang. So ähnlich hat es nach der vergeigten Bundestagswahl geklungen. So klingt es heute wieder, da die CSU auf ein Ergebnis gekommen ist, das sie zuletzt vor 68 Jahren unterboten hat, zu einer Zeit, als der heutige und in Ehren ergraute Parteivorsitzende Horst Seehofer gerade mal ein Jahr alt gewesen ist.

Doch Seehofer und mit ihm Markus Söder gewinnen damit wertvolle Zeit. Es wäre angesichts der verheerenden Niederlage nicht verwunderlich gewesen, wenn der Parteivorstand den Kopf des CSU-Chefs Seehofer gefordert und der durchaus berechtigt auf die Mitverantwortung Söders verwiesen hätte. Seehofer, die Sorge quält die CSUler weiter, könnte im Fallen jeden mitreißen, auch und zuerst Söder, seinen Erzfeind. So etwas kann disziplinierend wirken.


+++ Live-Ticker: Der Tag nach der Landtagswahl 2018 +++


Es gibt sie natürlich in der CSU, die Stimmen, die einen echten Neuanfang fordern, die eine aufrichtige, schonungslose Analyse erwarten, die nichts und niemanden ausspare, und danach den Rückzug der Verantwortlichen. Doch so wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Wenn der Koalitionsvertag eines Tages steht, wenn die Regierung mit ihrer Arbeit begonnen und im Landtag der erste Zusammenprall mit der AfD droht, ist die Wahl bereits weit weg. Seehofers und Söders Spiel auf Zeit könnte aufgehen. Denn nach der Wahl ist vor der Wahl.


In sieben Monaten gehen die Bayern erneut an die Urnen, bestimmen sie über das Europaparlament. Es ist ein beliebtes und faktisch durchaus richtiges Argument, dass Personalquerelen vor einer Wahl nur schadeten. Mit jedem Tag, den die CSU jetzt ohne ernsthafte Aussprache verstreichen lässt, nähert sie sich diesem Punkt. Seehofer und Söder mag das beruhigen, weil sie damit ihre Macht sichern können. Doch sie sollten sich nicht täuschen.


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Die Niederlage der CSU hat viele Ursachen; sie zeigt, wie sehr sich die Partei bereits von ihren Wählern entfernt hat, wie entfremdet Parteiführung und Parteibasis bereits sind. Die CSU mutiert von einem einst gefürchteten Sonderling zu einer ganz normalen Regionalpartei. Wer das nicht erkennt, daraus nicht die richtigen und unter Garantie schmerzhaften Konsequenzen zieht, notfalls auch für sich selbst, der läuft in die nächste Niederlage. Die CSU ist auf dem besten Weg dorthin.

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