Wikileaks-Gründer Assange – Held oder Schurke?

7.12.2010, 21:17 Uhr
Wikileaks-Gründer Assange – Held oder Schurke?

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Die schwedische Staatsanwaltschaft verlangt die Auslieferung von Assange, um ihn zu vier Fällen von sexueller Belästigung, Nötigung und Vergewaltigung zu befragen. In der am Nachmittag angesetzten ersten Anhörung bestritt Assange die Vorwürfe und erklärte, dass er gegen die Auslieferung kämpfen werde.

Der 39-jährige Australier ist Kopf und Seele des Internetdienstes, der durch brisante Enthüllungen den Zorn US-amerikanischer Politiker auf sich gezogen hat. Seit 2007 veröffentlicht Wikileaks geheime Dokumente, die der Internetseite von anonymen Informanten zugespielt werden. Zunächst erntete die Plattform Beifall auch von westlichen Regierungen, als Wikileaks zum Beispiel Beweise für die Verfolgung von Dissidenten in Kenia veröffentlichte – Assange erhielt dafür 2009 den Medienpreis von Amnesty International. Aber in diesem Jahr wurde Wikileaks zum Dorn im Fleisch amerikanischer Behörden, nachdem offizielle Protokolle zum Afghanistan- und Irak-Krieg an die Öffentlichkeit gelangten. Und am 28. November begann Assange, geheime diplomatische Depeschen von US-Botschaftern zu veröffentlichen. Die Flut an peinlichen Enthüllungen will nicht abreißen. Nur ein Bruchteil ist bisher bekannt, über 250000 Depeschen warten auf die Veröffentlichung. Und auch nach der Verhaftung von Assange, so bekräftigte Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson, werde man nicht aufhören: „Das ändert nicht unsere Operation“. Zugleich bezeichnete Hrafnsson die Verfolgung von Assange als einen Akt der Rache.

Tatsächlich formieren sich die Kräfte gegen Wikileaks. Die Internetseite wurde durch einen Hackerangriff vorübergehend lahmgelegt. Die Kreditkartenfirmen Mastercard und Visa weigern sich, Spenden an Wikileaks weiterzuleiten. Auch das Online-Bezahlsystem Paypal will nicht mehr mit Wikileaks kooperieren. Und das Bankkonto von Julian Assange beim Schweizer Finanzdienstleister PostFinance wurde eingefroren, weil Assange „unrichtige Angaben zu seinem Aufenthaltsort“ gemacht habe. Woraufhin Hacker in einer Sympathieaktion die Internetseite des Unternehmens angriffen und sie lahmlegten.

Für die einen ist Assange ein Held, für die anderen ein Schurke.

Gerade in den USA wurde Assange zur Hassfigur. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin bezeichnete ihn als „anti-amerikanischen Agenten mit Blut an seinen Händen“, während der Republikaner Mike Huckabee sagte, dass „alles andere als eine Exekution eine zu milde Strafe“ für ihn wäre. Justizminister Eric Holder prüft, ob man Assange nach amerikanischem Recht verfolgen kann. Das ist nicht so einfach. Während eine gezielte Indiskretion von geheimen Dokumenten eine Straftat ist, ist es deren Publikation eindeutig nicht, weil vom Verfassungsgrundsatz der Redefreiheit gedeckt. Dennoch befürchten die Anwälte von Assange, dass ihr Mandant nach einer Auslieferung nach Schweden an die US-amerikanischen Behörden weitergereicht werden könnte.

Die Vorwürfe, die dem Australier von der schwedischen Staatsanwaltschaft gemacht werden, haben allerdings nichts mit Wikileaks zu tun. Sie drehen sich um Ereignisse im letzten August, als Assange zu Besuch in Stockholm war. Er soll dort mit zwei Frauen, wie sein Anwalt sagte, „einvernehmlichen aber ungeschützten Geschlechtsverkehr“ gehabt haben. Zwei Tage danach aber zeigten beide Frauen Assange bei der Polizei wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung an. Zuerst wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen. Nachdem sich eine andere Staatsanwältin des Falles annahm, wurde ein internationaler Haftbefehl ausgeschrieben.

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