Kein Blatt vorm Mund

25.11.2008, 00:00 Uhr
Kein Blatt vorm Mund

© Thomas Scherer

Emine und Murtaza, zwei Kinder aus der Rosenschule, eröffneten den Reigen mit Märchenhaftem über Mäuse und Prinzessinnen auf Brautschau. Hanne Wiest, Leiterin des Hortes Pfisterkiste, verriet, wie ihre Familie zu ihrem Hund gekommen war und wie der Welpe aus Italien nach Deutschland gelangte. Oberbürgermeister Thomas Jung überraschte mit dem anrührenden, lehrreichen Bericht, wie er als Kind an Salmonellen erkrankte und im Klinikum erstmals im Leben mit dem Tod konfrontiert wurde, daraus aber neue Stärke gewann.

Weitere Promis und ganz normale Fürther schlossen sich an und sorgten dafür, dass die Kleeblattstadt durch ihre Geschichten ganz neu erlebbar wurde. Edith Stricker beispielsweise wusste nostalgisch vom alten Flussbad zu berichten, Silvana Beer heiter von der Suche einer Fränkin nach guten Bratwürsten in der Fremde und Karlheinz Häfner nachdenklich von der Pogromnacht am 9. November 1938, die auch Fürth nicht verschonte. Viel Applaus erhielt der ehemalige Stadtpolizist Hermann Weiß, als er seine Kindheit in der Altstadt beschrieb, inklusive einer energischen Mutter, die sich mit dem Schutzmann angelegte. Eine Ur-Fürtherin eben, die kein Blatt vor den Mund nahm. Bürgermeister Markus Braun entführte mit einer Legende in die Zeit Karls des Großen, der der (historisch nicht belegbaren) Sage nach Fürth begründet haben soll. Er ließ einen Bäckerjungen in einen geheimnisvollen Hügel am Karlsteg hineingehen, um den Herrscher Brot zu bringen.

Stadtbaurat Joachim Krauße illustrierte anhand seines eigenen Vaters, wie wichtig die Kindheit ist und dass man sich im Alter oft nur noch an die ersten Lebensjahre erinnern kann. Walter Landgraf vom Bürgermeister- und Presseamt, der im vergangenen Jahr das Stadt-Jubiläum managte, plädierte für ein gesundes Fürther Selbstbewusstsein und beschrieb witzig die Schwierigkeiten vieler Leute, zu ihrer Kleeblattstadt zu stehen.

Pascal Ropion vom Lim-Haus steuerte die Sicht eines Franzosen auf Franken bei; Aydin Kaval vom Integrationsbeirat erinnerte an die Schwierigkeiten der ersten Gastarbeiter, während Stadtheimatpfleger Alexander Mayer einen Besuch des thailändischen Königs im Fürth der 1960er Jahre lebendig werden ließ. Spannend machte es Krimi-Autor Veit Bronnenmeyer, dessen neuester Roman in Fürth spielt.

Ein stimmungsvoller, überreicher Erzähl-Abend mit mehr als 30 Mutigen aus allen Altersgruppen und Schichten, die ihre Märchen, Erlebnisse und Storys zum Besten gaben. So ein Einblick in die Seele der Nachbarn, ins Herz einer Stadt ist selten. Er funktioniert wie ein schönes altes Haus, das allein durch seine Existenz auf vergangenes und künftiges Leben verweist. Wer bei einer solchen Bandbreite noch glaubt, nur in Weltstädten sei etwas los, der sollte den Menschen öfter mal zuhören. Oder zur nächsten Erzählnacht kommen. CLAUDIA SCHULLER