Eine inszenierte Spurensuche

28.4.2018, 06:00 Uhr
Eine inszenierte Spurensuche

© Foto: Budig

Wenn Katja Gehrung reist - und sie tut das oft, soweit es ihre Ressourcen zulassen – ist das eine Fortsetzung der dauernden Suche nach kargen Orten, spröden Landschaften bei einem leicht wolkenverhangenen Himmel. Ein werbetaugliches Idyll ist ihre Sache nicht und strahlender Sonnenschein geradezu kontraproduktiv.

"Das Sommer-Licht ist zu hart", sagt sie. Im Januar erst hat sie es im australischen Sommer wieder festgestellt. Dort entstand ein Strand-Foto, aber eben auf Gehrung-Art: Das Ich-Model im Sand hält fabrikneue, aber dennoch historische, knallrote Kneissl-Rennski in der Hand.

Das Bild hängt jetzt in ihrer ersten eigenen Galerie in der Gustavstraße gegenüber der kunstaffinen Bistro-Galerie-Bar. Gehrung hat es sich hier gemütlich gemacht, mit alten Sesseln, italienischer Espressomaschine und viel Platz an den Wänden. "Kürzlich habe ich daheim in meiner Küche gearbeitet und gemerkt, dass ich da raus will, einen neuen Arbeitsplatz mit mehr Kommunikationsmöglichkeiten brauche", schildert sie die Erfüllung eines langgehegten Traumes.

Die Art, schon etwas Ich zu zeigen aber eigentlich mehr zu verbergen, ist typisch für ihre Kunst, die sie gerne nach populären Songs benennt: "Hinterm Horizont geht’s weiter" heißt eine neue Arbeit. Wie alle ihre Arbeiten ist das Foto auf Dibond gedruckt, eine gebürstete silbrige Aluminiumplatte, die den Bildern etwas Zeitentrücktes, Dreidimensionales verleiht. Gehrung trägt darauf einen hautengen silbrigen Hosenanzug mit Löchern, den sie in China entdeckt hat. Dazu sieht man im Eck ein paar trockene Baumzweige und nichts als öde Landschaft.

Auf eine Wanderausstellung reisen nun etliche Fotos von ihr nach China, wo sie sich selbstironisch als deutsche Hausfrau und Gattin inszeniert: Beim Bügeln (mit Brett und Eisen auf einer Wiese), beim Kinder(-Puppen-)hüten, Fensterputzen (das ausgebaute Schrottfenster hat sie auf eine freie Fläche geschleppt) und mit einer historischen Trockenhaube: ein Katalog-Pinup-Mädel und rundherum nur triste Landschaft.

Die sozialen Medien, Facebook, Instagram, sind ein Segen für die fleißige Autodidaktin. Ihre Kunst wird wahrgenommen. Ihre Bildsprache, die Augenblicke mit langer Vorgeschichte in kurzer, höchstens halbstündiger Produktionszeit festhält, ist verstörend und anziehend gleichzeitig. Die Kunstszene wird zunehmend aufmerksam auf diese Arbeiten, von New York bis Freiburg hängen ihre Bilder.

Am vergangenen Wochenende hat Katja Gehrung ihren ersten Kunstpreis erhalten: In Berg im Osten des Starnberger Sees verfolgt ein rühriger Kulturverein das Ziel, einheimische und internationale Künstler zusammenzubringen. Die Bergennale 2018 hatte fast 200 Bewerber, 46 durften ausstellen, das Thema lautete "Gegenpol" und regte dazu an, Position zu beziehen. Unter ihnen ist nun Katja Gehrung als erste Preisträgerin erwählt worden, mit einer Arbeit, die sich mit Massentierhaltung auseinandersetzt. Künftig will sie wieder mehr Ausschau nach verlassenen Gebäuden halten, die sie zu Inszenierungen besonders anregen. Allerdings birgt solcher Aufenthalt stets auch Momente der Gefahr. Rostige Nägel, unsichtbare Gruben . . . Aber, wie ein Bild von Gehrung heißt: "Ain’t no Mountain high enough" (Kein Berg ist zu hoch).

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