Straßenname mit NS-Hintergrund: Fürther Archivar forscht nach

8.11.2018, 05:43 Uhr
Straßenname mit NS-Hintergrund: Fürther Archivar forscht nach

© Volker Dittmar

Brisant ist die Benennung, weil sie auf die NS-Zeit zurückgeht. 1939 hatte der NSDAP-Kreisleiter und Fürther OB Franz Jakob die Namensgebung einer neuen Straße bei der Sedanskaserne in der Fürther Südstadt nach Karl Aldebert angeordnet. Dieser Nürnberger Lehramtsanwärter hatte als 30-jähriger Oberleutnant in der 6. Kompanie des in Fürth beheimateten 21. Bayerischen Infanterieregiment im März 1918 wesentlichen Anteil an der Erstürmung der heiß umkämpften nordfranzösischen Ortschaft Bapaume.

Er überlebte den Angriff nicht und wurde posthum mit dem nicht vererbbaren Adelstitel "Ritter von" und dem Max-Joseph-Orden, der höchsten militärische Ehre des Königreichs Bayern, ausgezeichnet. Den an die Ritter-von-Aldebert-Straße anschließenden Straßenzug in der Fürther Südstadt benannte man bei der Gelegenheit 1939 gleich mit nach Bapaume.

Im Zuge der Entnazifizierung wurden beide Straßen jedoch schon 1946 umbenannt. Der Kriegsheld musste der Triebkraft des neuen Fürther Klinikums weichen: Dr. Jakob Frank. Der einflussreiche Fürther Mediziner wurde als Jude von den Nazis 1933 schon zwangspensioniert. Wie übrigens auch der als Lehrer tätige Vater des Fürther Ehrenbürgers Henry Kissinger, Louis Kissinger.

Die Bapaumestraße wurde dann ebenfalls 1946 nach den Architekten des Fürther Rathauses, die Brüder Friedrich und Eduard Bürklein, in Bürkleinstraße umbenannt.

Mysteriöse Straßenbenennung

Damit wäre eigentlich das Kapitel der Kriegsverherrlichung im Fürther Straßenraum geschlossen, wäre man nicht 1963 im städtischen Bauamt auf die Idee gekommen, den Straßenzug mit überwiegender Mehrfamilienhausbebauung zwischen der Scherbsgrabenunterführung und Breslauer Straße Ritter von Aldebert zu widmen. Die Hintergründe dieser Initiative und wer sie auf den Weg gebracht hat, liegen im Dunkeln. Jedoch forscht Stadtarchivchef Martin Schramm schon.

Rätsel gibt auch das Hinweisschild auf eine Fürther Handschuhmacherfamilie auf, über die sonst wenig bekannt ist. Ganz abgesehen davon, dass sie den Adelstitel gar nicht beanspruchen kann. Ob auf sie verwiesen wurde, um vom nicht mehr zeitgemäßen Kriegsheld abzulenken, ist nicht belegt. Martin Schramm setzt sich jedenfalls dafür ein, dass das irreführende Hinweisschild entfernt oder noch lieber durch eine korrekte Erläuterungstafel ersetzt wird.

Dass der von FürthWiki als Sohn eines gebürtigen Fürthers ausgewiesene Karl Aldebert mit seiner Ehefrau Hannchen allenfalls ein paar Jahre in Fürth gelebt hat, sieht der Heimatforscher Peter Frank durch ein Gefallenengedenkbuch der Stadt Nürnberg aus dem Jahr 1929 bestätigt: Unter den 9855 darin aufgeführten Nürnberger Opfern taucht auch der Held von Bapaume auf.

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