Ein Fürther war erster Kriegsminister des Freistaats

11.11.2018, 21:00 Uhr
Ein Fürther war erster Kriegsminister des Freistaats

© Foto: Geschichtswerkstatt

Als der Sozialdemokrat und Pazifist Kurt Eisner in der Nacht zum 8. November 1918 in München die Monarchie für abgesetzt erklärte und den Freistaat Bayern aus der Taufe hob, machte er einen 27-jährigen Fürther zum ersten provisorischen Kriegsminister der neuen Republik: den jüdischen Volkswirtschaftler Kurt Königsberger. Vom 8. bis 13. November 1918 war der einstige Abiturient des Schliemann-Gymnasiums und spätere Beobachtungsflieger bei der Luftwaffe Oberkommandierender der bayerischen Streitkräfte.

Abgelöst wurde er vom Sozialdemokraten Albert Roßhaupter, der das Amt allerdings auch nur bis 21. Februar 1919 innehatte. Während Königsberger von den Nazis schon 1933 ins Konzentrationslager Dachau und später nach Buchenwald gebracht wurde, bevor man ihn 1941 im Vernichtungslager Pirna-Sonnenstein ermordete, überlebte Roßhaupter die NS-Zeit und wurde nach dem Krieg bayerischer Arbeits- und Sozialminister und stellvertretender Ministerpräsident.

Drei Jahre Chefredakteur

Eine entfernte Beziehung zu Fürth hatte selbst der zum ersten Ministerpräsidenten der bayerischen Republik ernannte Kurt Eisner, der am letzten Tag von Roßhaupters Amtszeit als Kriegsminister einem Attentat zum Opfer fiel. Von 1907 bis 1910 war der gebürtige Berliner Chefredakteur der 1871 in Fürth gegründeten, 1914 von der SPD übernommenen und nach Nürnberg verlagerten Tageszeitung Fränkische Tagespost.

In deren Redaktion hatte von 1890 bis 1894 schon der Fürther Gewerkschaftsführer Martin Segitz gearbeitet, der am 1. März 1919 zu Eisners Nachfolger als Ministerpräsident proklamiert wurde. Allerdings erkannte ihn der Landtag nicht an und wählte stattdessen Johannes Hoffmann. Segitz wurde von Eisner zum Minister für Demobilmachung ernannt. Der wiederum engagierte Königsberger als Referent für Nationalökonomie. 1925 zog es Königsberger nach Berlin, wo er heiratete und als Direktionssekretär im Verlag des jüdischen Unternehmers Rudolf Mosse arbeitete. Vergeblich versuchte Königsberger zwischen seinen Verhaftungen 1933 und 1936 nach Kolumbien auszuwandern. Die Gestapo verweigerte ihm das dazu erforderliche Führungszeugnis.

Seiner geschiedenen Frau jedoch gelang mit den beiden Töchtern 1938 die Flucht nach London, wo sie erneut heiratete. Sie ist inzwischen 94 Jahre, hat 10 Kinder, 49 Enkel, 102 Urenkel und vier Ur-Ur-Enkel und lebt im US-Bundesstaat Utah. Die Geschichte von Kurt Königsberger hat – wie berichtet – der 17-jährige Oberasbacher Gymnasiast Simon Rösch mit einer interessanten Ausstellung beleuchtet, die aktuell im Fürther Schliemann-Gymnasium zu sehen ist.

Ein Fürther war erster Kriegsminister des Freistaats

© Repro: René Hurtienne

Bereits Monate vor dem Umsturz in München war es in Fürth zu Aufständen der Arbeiter gekommen. Am 28. und 29. Januar 1818 demonstrierten 6000 Menschen aus 34 Fürther Betrieben für bessere Arbeitsbedingungen. 10 000 gingen dann am 31. Oktober auf die Straße. Und es wurden immer mehr.

Nachdem Kurt Eisner in München die Republik ausgerufen hatte, zogen die Demonstranten am Abend des 8. November 1919 zur Kaserne in der Südstadt, um bewaffnete Unterstützung zu bekommen. Es funktionierte. Eine 700 Mann starke Volkswehr mit Oberleutnant Mayer an der Spitze wurde aufgestellt. Am folgenden Tag formierte sich ein Rat aus Arbeiter- und Soldatenvertretern. Der Arbeiterrat entstand im Grünen Baum, der Soldatenrat im Parkhotel.

Weitgehend friedlich

Die Radikalisierung führte auch in Fürth zur Abspaltung gemäßigter und gegenrevolutionärer Kräfte. Doch während es in Nürnberg zu blutigen Auseinandersetzungen kam, verlief die Revolution in Fürth weitgehend friedlich. Um Plünderungen vorzubeugen, wurden allerdings Maschinengewehre in Stellung gebracht, und man ließ die Straßenlaternen nachts durchgehend brennen.

Das Beschlagnahmen und Verteilen von Lebensmitteln gehörte neben dem Verfügen des Achtstundentages zu den ersten Amtshandlungen des roten Rates. Offiziell erklärten die Arbeiter- und Soldatenräte am 6. April 1919 im Parkhotel die Zustimmung zur Räterepublik. Ein entsprechendes Telegramm ging nach München. Als politisches Zeichen wurde am 7. April die rote Fahne auf dem Rathausturm gehisst.

Oberbürgermeister Robert Wild und der Gemeinderat traten zurück. Doch der revolutionäre Funke entfachte in Fürth keinen Flächenbrand. Schon am Abend des 7. April sprachen sich bei einer Vollversammlung der gemäßigten MSPD 193 : 178 Mitglieder gegen die Räterepublik aus. Am 11. April wurde im Grünen Baum dann die Räterepublik mit 91 : 72 Stimmen des Arbeiterrates und 799 : 245 Stimmen des Soldatenrates abgelehnt, die rote Fahne am Rathausturm eingeholt. Damit endete die revolutionäre Episode. Am 2. Mai löste sich auch die Fürther Volkswehr auf.

Was den Arbeiter- und Soldatenrat in Fürth ausgehebelt hat, waren in erster Linie große Finanzprobleme. Aus Angst vor der politischen Entwicklung hatten viele Bürger ihr Geld von den Banken abgehoben. Zudem überwies die Reichsbank kein frisches Geld, sodass den Soldaten kein Sold mehr ausgezahlt werden konnte. Obendrein drosselten Landwirte, die der Räterepublik kritisch gegenüberstanden, ihre Lebensmittelzufuhr.

Schließlich ließ nach dem Rücktritt der Stadtspitze und des Gemeindekollegiums auch die Unterstützung durch den Beamtenapparat zu wünschen übrig. Der Arbeiter- und Soldatenrat sprach bei einer Vollversammlung am 9. April im Geismannsaal von einem "Streik der bürgerlichen und mehrheitssozialistischen Gemeindebevollmächtigten". Vor gewaltsamen Reaktionen schreckte man in Fürth jedoch zurück.

Keine Kommentare