MyOma: Mützen in Biber-Form und Rhabarber-Kompott

30.12.2018, 10:00 Uhr
MyOma: Mützen in Biber-Form und Rhabarber-Kompott

© Foto: MyOma

Wer mit Verena Pröschel spricht, gerät öfter ins Staunen und merkt, dass Visionen kein Fall für den Arzt sind, wie einst Altkanzler Helmut Schmidt bissig kommentiert hat: Eine große Küche tageweise in Fürth mieten, als kleine Textilfirma mit fünf Mitarbeitern in den Lebensmittelhandel einsteigen und 100 handwerklich geschickte Omas finden, die die eigene Geschäftsidee mittragen und das Unternehmen repräsentieren. Pröschel, Gründerin und Geschäftsführerin von MyOma, hat das alles möglich gemacht. Mit eingehender Vorbereitung, professioneller Unterstützung und ein wenig Glück, bilanziert die 38-Jährige.

Plötzlich selbständig

Die Idee eines sozialen Unternehmens, wie Pröschel es nennt, fand sie schon länger gut. Den Anstoß zur Gründung eines solchen habe dann vor sieben Jahren ein TV-Bericht über strickende Omas gegeben, berichtet die Fürtherin. "Das war ganz spontan im Urlaub. Es war nie so, dass ich gedacht habe, ich möchte selbständig sein", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin, die vor der Gründung fünf Jahre in der PR-Agentur ihres Bruders in München gearbeitet hat.

Pröschels Unternehmensphilosophie ist es, einen Beitrag für die ältere Generation zu leisten und diese im Alter zu unterstützen. "Alles was wir tun, soll auch den sozialen Zweck für die Omas erfüllen", erklärt Pröschel "Dass wir damals mit dem Strickportal myoma.de gestartet sind, war Zufall." Pröschels Bruder, Jörg Röthlingshöfer, fand die Idee gut, gründete MyOma mit und unterstützt das kleine Team seither unter anderem mit seiner PR-Arbeit. Erste Strickmützen wurden 2011 entworfen und sowohl mit Anleitung und Wolle zum Selbststricken als auch fertig verkauft. Schnell kamen weitere Strickprodukte, wie Handschuhe, Schals und Socken, dazu.

"Die Omas zu finden, war viel leichter als ich mir das vorgestellt habe", sagt die Unternehmerin. Probleme gab es aber mitunter bei der gelieferten Qualität: So hätten manche fleißige Strickerinnen geraucht oder Katzenhaare an den Produkten gehabt, andere konnten schlichtweg nicht mit Anleitungen umgehen. "Diplomatisch zu vermitteln, das so etwas natürlich gar nicht geht, war nicht so einfach", sagt die Mutter eines kleinen Sohnes.

"Liebes Umfeld"

Noch bis kommenden Februar ist Pröschel in Elternzeit und wirkt nur bei strategischen Entscheidungen im Hintergrund mit. Auch die monatlichen Treffen mit den Omas in den hellen, freundlichen Büros von MyOma in den früheren Barthelmess-Geschäftsräumen ließ sich die junge Mutter in dieser Zeit nicht entgehen. "Viele Omas kenne ich seit Anfang an. Das ist ein total liebes Umfeld", schwärmt die 38-Jährige, die selbst als Kind viel Zeit bei ihrer Großmutter verbracht hat und der älteren Generation vor allem Wertschätzung entgegen bringen will. Daneben reize sie das Zusammenbringen von Tradition und Moderne, von Omas und Internet.

An die 100 Omas zwischen 50 und 80 Jahren unterstützen derzeit die Fürther GmbH durch das Stricken von Aufträgen, durch das Entwerfen von Modellen und neuerdings auch von Kochrezepten für und mit Fruchtkompott. Vertrieben wird das "Löffelkompott" seit vergangenem Oktober über eine eigene Homepage, über Supermärkte und Feinkostgeschäfte. Pro verkauftem Glas gehen fünf Cent an den Verein LichtBlick Seniorenhilfe in München, der mit dem Geld bedürftige Senioren beim Erwerb von Lebensmitteln unterstützt. "Wir haben herausgefunden, dass das bei den Kunden sehr gut ankommt", sagt Pröschel.

Kampf dem Sommerloch

Ursprünglich wollte sie mit der Ausweitung des Geschäftsfeldes auf Lebensmittel die Einnahmelücke schließen, die MyOma sonst alljährlich im Sommer zu schaffen gemacht hätte. Schließlich seien die angebotenen Strickartikel klassische Winterprodukte, die auch gerne zu Weihnachten verschenkt würden. In den nächsten Monaten sollen nun weitere Sorten Löffelkompott auf den Markt kommen, skizziert die 38-Jährige.

Am Schwierigsten rund um die Unternehmensgründung sei es gewesen herauszufinden, welche Oma was gut kann, bilanziert Pröschel. Überrascht habe sie dabei die große Offenheit der Omas sowohl gegenüber dem Internet als auch gegenüber ausgefallenen Aufträgen. "Wir haben schon die wildesten Sachen gemacht – von einer Mütze in Biberform bis zu einer Stola aus einer ganz bestimmten Wolle", berichtet die Geschäftsführerin. "Es geht nicht immer alles, weil manches einfach nicht finanzierbar ist."

Das Feedback der Omas, die vor einer Aufnahme Probestricken müssen und inzwischen auch einen Gewerbeschein brauchen, sei bislang durchwegs positiv gewesen, bilanziert Pröschel und sagt: "Für viele hat sich durch MyOma ein Stück weit das Leben verändert. Es sind viele neue Kontakte und zum Teil auch richtig enge Freundschaften entstanden."

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