60 Jahre Ikea: Manipulativ und doch liebenswert

27.10.2018, 09:03 Uhr
60 Jahre schwedisches Do-it-yourself: 1958 eröffnete das erste Ikea-Einrichtungshaus.

© Ina Fassbender/dpa 60 Jahre schwedisches Do-it-yourself: 1958 eröffnete das erste Ikea-Einrichtungshaus.

97,8 Millionen Menschen waren es 2017, die eine deutsche Filiale des "unmöglichen Möbelhauses", wie sich Ikea in den ersten Werbekampagnen selbst nannte, besuchten. Und am Ende vielleicht doch nur Teelichter heimtrugen. Auch Kleinvieh macht eben Mist: Die Umsatzzahlen haben sich in den letzten sieben Jahren laut Verband der deutschen Möbelindustrie (VDM) auf fünf Milliarden Euro verdoppelt.

Ikea zieht eben: Wir schwören, niemals mehr einen Fuß in Ikea zu setzen. Und fahren doch wieder nach Fürth oder Eching, nach Dresden oder Magdeburg in eine der heute 53 deutschen Filialen.

Uwe Linke, Experte für Raumpsychologie, beschreibt Ikea als durchaus manipulativ: Das Marketing schafft es, einen Bedarf zu suggerieren, der gar nicht vorhanden ist. Wir fallen darauf herein – und legen wieder Servietten in den Wagen. Weil allein der Kauf Spaß macht. Und uns für kurze Zeit glücklicher. Zu-Ikea-Fahren, das hatte schon immer etwas Magisches. Hej, wir freuen uns, dass du da bist! Sich selbst die Möbel aus den meterhohen Regalen zusammensuchen. Wie den Drahtsessel Råane, der zum Geburtstag wieder aufgelegt wird. Und in dem man nicht länger als zehn Minuten sitzen konnte, weil dann der Hintern schmerzte. Aber er war eben todschick. Und von Ikea. Oder Ivar, das Holzregal. Die helle Kiefer löst die Eiche ab. Die Möbel sind jetzt leicht, man kann sie verschieben und so sein Zimmer kurzerhand umstellen. Ivar oder Vangsta ziehen jahrelang mit um – von der ersten eigenen Wohnung ins Reihenhaus. Und am Schluss in den Keller.

Eigenes schaffen und stolz sein

Das Unternehmen hat den Nerv der Zeit getroffen. Und das deutsche Wohnen geprägt. Der Inbusschlüssel wird zum wichtigsten Werkzeug. Wobei der Deutsche sowieso ein Do-it-yourself-Mensch ist, meint Ursula Geismann vom VDM. Er schafft gern etwas Eigenes und ist stolz, wenn der Schrank steht. Egal, ob es 30 Grad hat oder in Strömen regnet – der Parkplatz ist voll. Ikea ist ein Ausflugsziel für die ganze Familie: Die Kinder, die sich in den 1980er Jahren ins Bällebad geworfen haben, geben jetzt Tochter Anna oder Sohn Emil in Småland ab.

Ja, Ikea hat den Wohngeschmack globalisiert. Ein Design für alle entworfen. Das Geheimnis: Diese Möbel passen gestalterisch in jede Wohnung. Sie sind zeitlos. Das schon 1978 entwickelte Bücherregal Billy ist als Klassiker sowohl in Buxtehude als auch in Shanghai zu finden. Und fühlen wir uns nicht insgeheim gleich heimisch, wenn in der Ferienwohnung nahe Rom das Malm-Bett im Schlafzimmer steht? Dort müssen wir es dann nicht einmal selbst zusammenbauen. 

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