Als der Terror nach München kam

4.9.2012, 23:56 Uhr
Als der Terror nach München kam

© dpa

Zwischen Traum und Trauma lagen bei den Olympischen Spielen 1972 in München zehn Stunden. Am Abend des 4. September 1972 beglückte die 16 Jahre alte Schülerin Ulrike Meyfarth um 19.05 Uhr die Zuschauer im Olympiastadion mit ihrem Gold-Sprung über 1,92 Meter. Um 4.55 Uhr am Morgen des 5. September überfiel ein palästinensisches Terrorkommando das israelische Team im olympischen Dorf. Nach einem missglückten Versuch zur Befreiung der Geiseln auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck lautete die blutige Bilanz: Elf tote Israelis, ein toter deutscher Polizist, fünf umgekommene Terroristen.

40 Jahre später versammeln sich an diesem Mittwoch auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck 600 Gäste zum Gedenken. Neben Vertretern aus Politik und Sport wie Innenminister Hans-Peter Friedrich, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident Thomas Bach wird sich auch Ulrike Meyfarth einfinden. Im Mittelpunkt werden Überlebende des Terroranschlags und Angehörige der israelischen Opfer wie Ankie Spitzer stehen.

Was sich krass verändert hat seit jenem tragischen September, wird dabei auch sichtbar werden: Intensive Sicherheitsvorkehrungen statt Fehleinschätzungen und Versagen als Wegbereiter des Dramas 1972.

"Schande über Dich"

Es ist erst vier Wochen her, dass Ankie Spitzer, die Witwe des ermordeten Fechttrainers André Spitzer, dem IOC-Präsidenten Jacques Rogge bei einer Gedenkveranstaltung für die israelischen Terroropfer in London den Satz entgegen schleuderte: „Schande über Dich.“ Als Ausdruck dafür, dass sich das IOC geweigert hatte, eine Gedenkminute im Rahmen der Eröffnungsfeier der Sommerspiele abzuhalten.

Die Feier in Fürstenfeldbruck soll nun einen deutschen Beitrag leisten für Erinnerung und fortwährende Solidarität und Anteilnahme. Die Erinnerung geht über diesen Schicksalstag deutsch-jüdischer Geschichte hinaus. Der 5. September ist auch der Tag, der auf olympischem Boden die Welt verändert hat. Auf grausame Weise hielt der internationale Terrorismus seinen Einzug, und dies in einer selbstmörderischen Bedingungslosigkeit, die am 11. September 2001 in New York mit den Flugzeugattacken der arabischen Terrororganisation Al-Kaida ihren bisher schlimmsten Ausdruck gefunden hat.

Diese Globalisierung des Terrors hat auch den Charakter Olympischer Spiele grundlegend gewandelt. Erdacht und gegründet wurden sie 1894 als Fest der Friedfertigkeit und des freundschaftlichen Kräftemessens von Sportlern aus aller Welt. Geworden sind sie seit den Spielen von München immer mehr zu einer Art Trutzburg.

Armeen und Raketen als Drohkulisse

Die imaginären Verteidigungsmauern zum Erhalt eines einzigartigen Ereignisses wurden immer höher gezogen. Armeen, Raketen und Abfangjäger wurden als Drohkulisse und Abwehr in Stellung gebracht, Sicherheitstechniken auf die Spitze getrieben. Geheimdienste erhielten ein neues Spielfeld. So sind Olympische Spiele seit München 1972 zu einem Seismograph für die unterschiedlichsten Gefahren und Bedrängnisse dieser Welt geworden.

In München hatte es zwei Milliarden D-Mark (rund eine Milliarde Euro) gekostet, um die Infrastruktur der Stadt zu erneuern, die Wettkampfstätten zu erbauen und die Spiele zu organisieren. Um der Welt ein friedlich gewordenes Deutschland vorzuführen, war das Sicherheitspersonal in hellblaue Anzüge und Trainingsanzüge gesteckt worden, Zäune erwiesen sich als leicht überwindbares Hindernis.

In London betrugen allein die Sicherheitskosten mehr als 1,2 Milliarden Euro. Die britische Armee war mit 20 000 Soldaten im Einsatz. Zum Symbol wurde ein 17 Kilometer langer, 100 Millionen Euro teurer, mit 5000 Volt geladener Elektrozaun rund um das olympische Dorf und den Olympiapark, der nur über Sicherheitsschleusen zu betreten war.

Als ein ganz besonderes Resultat der vom schrecklichen 5. September geprägten Olympischen Spiele vor 40 Jahren gilt der Satz des damaligen amerikanischen IOC-Präsidenten Avery Brundage: „The Games must go.“ In der Trauer und Fassungslosigkeit war er damals vielen unverständlich. Doch geworden ist er zu einem Jahrhundertsatz: Das Leben muss weitergehen, der Terror darf nicht zum Sieger werden. Dies ist sicher eine Botschaft, die alle Trauergäste an diesem Mittwoch in Fürstenfeldbruck vereinen wird.

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