18-jähriger Ansbacher soll zurück nach Afghanistan

1.2.2017, 20:51 Uhr
18-jähriger Ansbacher soll zurück nach Afghanistan

© TSV 1860 Ansbach

Am Dienstag erhielt er den Bescheid per Post: Sein Antrag auf Asyl wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Außenstelle Schweinfurt, abgelehnt. Auch der "subsidiäre Schutz", der zumindest ein Jahr Aufenthalt bedeutet, wurde ihm nicht gewährt. Gleichzeitig fordert die Behörde ihn auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Tue er das nicht, werde er abgeschoben, heißt es in dem Brief.

Mohammad steht seit der Benachrichtigung unter Schock. Dass er nach Afghanistan zurück soll – ein Land, das er als 14-Jähriger zuletzt gesehen hat – will nicht in seinen Kopf. Zwar habe er noch Verwandte dort, aber er wolle nicht zurück. "Ich will hier in Ansbach bleiben!", bekräftigt er.

Ausbildungsbetrieb will sich einsetzen

Auch seine Betreuerin Brigitte Bauer ist über die Entscheidung der Behörde "entsetzt". Mohammad sei "ein Vorbild an Integration", er lerne "ohne Ende" und habe sich sehr gut in den Alltag in Deutschland eingelebt. Sie werde nun einen auf Asylfragen spezialisierten Anwalt einschalten und gegen die Ablehnung klagen.

Der Schreck sitzt trotzdem tief. Auch bei der Firma Theo Däschlein in Bechhofen, bei der Mohammad seit September eine Einstiegsqualifizierung (EQ) für die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker durchläuft. Mohammad sei einer von zwei Azubis und einen neuen zu finden, könne schwer werden, glaubt Christa Däschlein. Viele hätten die Ausbildung angefangen und wieder abgebrochen - aber Mohammad sei "sehr lernwillig" und leiste gute Arbeit. Und er habe die Eignung für den Beruf. "Wir wollen uns dafür einsetzen, dass er hierbleiben darf“, erklärt Däschlein. "Wir werden alles daran setzen."

Dank Volleyball bestens integriert

Ein herber Verlust wäre Mohammads Abschiebung auch für den TSV 1860 Ansbach: Die erst letztes Jahr gegründete Herren-Volleyballmannschaft braucht ihn. Im Team spielen laut Trainerin Uschi Strebel fünf Deutsche, sechs Afghanen und zwei Eritreer – zwei der deutschen Spieler fallen verletzungsbedingt aber länger aus. Erst durch die Beteiligung der Flüchtlinge hatte der Verein genug Spieler, um eine Herrenmannschaft anzumelden. "Ohne sie könnte die Mannschaft nicht weiter existieren", so Strebel.

Dabei gab es für das Volleyballteam aus Einheimischen und Flüchtlingen viel Lob. Ansbachs Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) erklärte die TSV-Mannschaft im Dezember zum "Beispielprojekt" dafür, wie Integration gelingen könne. Auch aus Berlin gab es positive Reaktionen: Mit dem Zusatz "#Deutschlandkanndas!" verbreitete die Bundesregierung im September ein selbstgedrehtes Video der Ansbacher Volleyball-Herren über ihre Facebook-Seite. 1.600 Personen drückten auf "Gefällt mir".

Trainerin Strebel macht sich große Sorgen um Mohammad – und befürchtet, dass auch die anderen Afghanen aus dem Team bald einen Abschiebebescheid bekommen könnten. Schon als Jugendliche kannte die Ansbacherin die Flüchtlinge. Strebel betont: "Das sind super Jungs! Hilfsbereit, nett und zuverlässig." Nach dem Terroranschlag im Juli vergangenen Jahres habe Mohmmad ihr traurig anvertraut, er glaube, dass die Ansbacher jetzt Angst vor ihm und den anderen Afghanen hätten. "Uschi, wo sollen wir denn sonst hin?", habe er sie gefragt. Ihre Antwort: "Ihr gehört hierher!"

Krieg in Afghanistan weitet sich aus

Ob Afghanistan für abgeschobene Flüchtlinge sicher ist, ist sehr umstritten. Die Bundesregierung hält einige Städte wie Kabul für stabil genug. Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) kam im Dezember zu einer anderen Einschätzung. Man könne kaum zwischen "sicheren" und "unsicheren" Gebieten unterscheiden. Die Lage habe sich seit April 2016 "nochmals deutlich verschlechtert".

Ganz Afghanistan sei "von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt" betroffen, der allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres 1.601 Zivilisten das Leben gekostet habe – vier Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es sei daher "eher überraschend", dass das Bamf in Nürnberg immer weniger Afghanen Schutz zugestehe, heißt es in dem UNHCR-Bericht.

Ausbildung schützt vor Abschiebung – außer in Bayern

Als Azubi wäre Mohammad vor Abschiebungen geschützt – die Bundesregierung hat dafür extra das Aufenthaltsgesetz geändert, um abgelehnte Asylbewerber zumindest während der Ausbildung vor einer Abschiebung zu bewahren. Das begrüßte auch die Wirtschaft, die oft zu wenig Lehrlinge findet. Das Problem: Bayern macht nicht mit. Das Innenministerium hat angeordnet, das Gesetz möglichst restriktiv auszulegen.

Azubis seien in Bayern nicht geschützt, wenn "konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung" bevorstünden, erklärt der Verein Pro Asyl auf seiner Internetseite die bayerische Regelung. Dafür reiche schon ein Anhörungstermin in der Ausländerbehörde aus oder die Aufforderung, einen neuen Pass zu beantragen. Der Freistaat nehme dadurch "eine sehr unrühmliche Sonderstellung ein", kritisiert Pro Asyl.

Korrektur vom 06.02.2017: Mohammad macht derzeit noch keine Berufsausbildung zum Kfz-Mechatroniker, sondern absolviert bei der Firma Theo Däschlein ein zwölfmonatiges Praktikum im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung (EQ). Eine EQ beinhaltet nach Auskunft der IHK Nürnberg Unterricht in der Berufsschule, kann teilweise auf die spätere Ausbildung angerechnet werden und mündet in Mittelfranken "zu 80 Prozent" in eine reguläre Ausbildung. Laut Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schützt diese aber nicht vor Abschiebung, die Organisation fordert aber, genau das zukünftig zu ändern. Die Firma Theo Däschlein möchte Mohammad auf jeden Fall in ein Ausbildungsverhältnis übernehmen.

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